50 Jahre Grauen aus der Tiefe. Ein Sammelband herausgegeben von Wieland Schwanebeck ergründet den Filmklassiker „Der weiße Hai“
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDer weiße Hai (1975) ist vor einem halben Jahrhundert so brutal in die weltweite Kinolandschaft eingefallen wie der titelgebende Monsterfisch in das kleine Touristenstädtchen Amity. Die rasante Entwicklung des modernen Blockbusterkinos, der zunehmende Hype um das profitabelste Startwochenende aller Zeiten, die Produktion von immer mehr Fortsetzungen in immer kürzerer Zeit – all das hat Steven Spielbergs unverwüstlicher Gruselklassiker nicht im Alleingang ins Leben gerufen. Er hat aber im Verbund mit anderen Kassenschlagern der 1970er-Jahre – unter anderem Der Pate (1972), Der Exorzist (1973) und Krieg der Sterne (1977) – all diese Entwicklungen mit seinem Erfolg beflügelt. Seitdem hat die Konkurrenz zwischen Kino und Heimkino zusätzlich dazu beigetragen, dass sich das kommerzielle Schicksal von Filmen gleich am ersten Wochenende entscheidet, wobei appetitanregende Trailer und effektive Werbekampagnen eine immer wichtigere Rolle spielen. Nicht alles, was dabei am Samstagabend das Publikum in Scharen anlockt und auch noch zum T-Shirt-Kauf animiert, taugt jedoch zum Meilenstein der Filmgeschichte – was den Erfolg des Weißen Hais, mit seinen legendär problematischen Dreharbeiten, nur umso erstaunlicher macht.
Dass das Vermächtnis dieses Blockbusters nicht bloß auf die Geschichte der Filmvermarktung zu beschränken ist, kann man in einem Sammelband nachlesen, der jetzt zum 50. Jubiläum von Steven Spielbergs Filmklassiker im Verlag Bertz+Fischer erscheint. Der vom Dresdner Literatur- und Kulturwissenschaftler Wieland Schwanebeck herausgegebene Band Der weiße Hai revisited versammelt Beiträge von bekannten Film- und Kulturwissenschaftlern wie Elisabeth Bronfen und Marcus Stiglegger, von umtriebigen und kenntnisreichen Filmpublizisten wie Stefan Jung und Kathleen Loock, vom britischen Filmjournalisten Ian Freer und vielen anderen.
Die 21 Kapitel sind in sieben thematische Blöcke unterteilt, die sich unter anderem der Produktionsgeschichte des Films, den filmhistorischen Zusammenhängen, politischen und geschichtlichen Hintergründen sowie dem im Film dargestellten Verhältnis zwischen Mensch und Tier widmen. Man erfährt in diesem umfassend illustrierten Buch einiges darüber, welche Grenzen im Film ausgelotet werden, auf welche psychologischen Ängste der Film anspielt, was für absonderliche Wege die Gattung des Haifisch-Horrors in der Filmgeschichte noch gehen sollte, und wie viel Grund es (aus zoologischer Sicht) wirklich gibt, sich vor Haien in freier Wildbahn zu fürchten.
So viel sei verraten: Eine Sichtung des für die Goldene Himbeere als schlechtester Film nominierten vierten Teils (Der weiße Hai: Die Abrechnung, 1987) dürfte Ihnen wesentlich mehr zusetzen als der nächste Bade-Urlaub.
Anmerkung der Redaktion: literaturkritik.de rezensiert grundsätzlich nicht die Bücher von regelmäßigen Mitarbeiter*innen der Zeitschrift, Angehörigen der eigenen Universität oder aus dem Verlag LiteraturWissenschaft.de. Diese Bücher können hier jedoch gesondert vorgestellt werden.
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