Gedichte mit unverstelltem Zugang

Der „Text + Kritik“-Band zu Rainer Malkowski beleuchtet Leben und Werk des einflussreichen, aber oft übersehenen Dichters Rainer Malkowski

Von Sebastian MeißnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sebastian Meißner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit Mitte 20 war er Geschäftsführer und Teilhaber der größten Werbeagentur der BRD und verantwortlich für die Bereiche Text und Grafik. Einen steilen Aufstieg hinter und eine große Karriere vor sich, entschied sich der gebürtige Berliner Rainer Malkowski rund zehn Jahre später für einen anderen Weg. Malkowski ließ die Großstadt hinter sich, zog ins beschauliche Brannenburg am Inn und wandte sich der Lyrik zu. „Wenn ich Gedichte schreibe, fühle ich mich deutlicher am Leben. Ich vergewissere mich der Wirklichkeit, indem ich sie zur Sprache bringe.”

Sich der Wirklichkeit vergewissern – das beschreibt die Gedichte von Malkowski treffend. Vom ersten Gedichtband (Was für ein Morgen) 1975 bis zu seinem letzten (Die Herkunft der Uhr), der erst posthum 2004 erschien, beschreibt Malkowski die Welt um sich herum bedächtig, irgendwie zart und fragil und dabei aber gleichsam wach und reflektiert und fühlt sich in sie hinein. Und das auf eine Art und Weise, die ihm sowohl von der Kritik als auch vom Publikum hohe Wertschätzung einbrachte.

Multiperspektivische Betrachtung von Leben und Werk

Die jüngste Ausgabe von Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur widmet sich nun ganz dem Leben und Werk von Malkowski. Neben eigenen Texten von ihm (darunter die unveröffentlichten Gedichte Totales Gedicht und Greyhound-Bericht sowie einer Selbstdeutung von Mittags unter den Arkaden und einer bio-bibliographischen Notiz) kommen acht weitere Autor:innen zu Wort und bieten mit ihren Beiträgen ganz verschiedene Perspektiven auf den Protagonisten und sein Schaffen. Cornelia Blasberg verortet Malkowski zeithistorisch und zeigt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen zeitgenössischen Dichtern auf. In ihrem Beitrag „Was für ein Anfang! Rainer Malkowskis Lyrik in den 1970er Jahren“ erläutert sie so, warum eine Einordnung Malkowskis in die Bewegung der „Neuen Subjektivität“ – entgegen der Auffassung der damaligen Zeit – eben doch, aber nur unter bestimmten Bedingungen stimmig ist. Malkowski, so schreibt Blasberg, sei mit den Gedichten Was für ein Morgen und Einladung ins Freie „fulminant eingestiegen in die komplizierte Reflexionskultur der 1970er Jahre“ heißt es da.

Uhr und Karte als zentrale Motive

Eine Motivanalyse wagt Jan Wagner in seinem Beitrag. Dabei identifiziert er zwei Hauptmotive in Malkowskis Werk („Die Uhr und die Karte“) und interpretiert ihre Verwendung vor dem Hintergrund der biografischen Stationen des Autors. Walter Hettche wiederum beleuchtet in seinem Beitrag („Zwischen Schiller und Willie Nelson. Rainer Malkowskis „Greyhound-Bericht“) eben jenes, das Malkowski während seines Aufenthaltes am Oberlin College in Ohio, USA, im Rahmen eines Gastsemesters als Writer in Residence verfasste. Dieses Gedicht, das alltägliche Kleinigkeiten zu protokollieren scheint, präsentiere eigentlich „ein Panorama des historischen und zeitgenössischen Amerika – vom Rindenkanu über die Raddampfer zum Hubschrauber, von der Sklaverei zur Homophobie und vom Schiller-Denkmal bis zu Willie Nelson“. Friedemann Spicker wiederum lenkt seine Aufmerksamkeit auf das schmale, dennoch ergiebige aphoristische Werk Malkowskis und erweitert damit die allgemeine Rezeption seines Werkes nachhaltig.

Und so bietet dieses Ausgabe von Text + Kritik nicht nur einen faktenreichen Einstieg in das Werk Malkowskis für Neuinteressierte, sondern auch eine anregende Vertiefung und Neubetrachtung für Kenner.  

Titelbild

Heinz Ludwig Arnold: Rainer Malkowski.
edition text + kritik im Richard Boorberg Verlag, München 2025.
108 Seiten, 28,00 EUR.
ISBN-13: 9783689300340

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch