Bornierter Blick und kritische Selbstreflexion

Michael Hofmanns Buch "Aufklärung"

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wärmsten zu empfehlen ist das bei Reclam in der Reihe "Literaturstudium" erschienene Buch "Aufklärung" des Germanisten und Philosophen Michael Hofmann. Sein Gegenstand ist zwar, wie der Autor betont, "die Literatur der Aufklärung", doch wird darüber die mit ihr eng verknüpfte philosophische Aufklärung nicht vergessen.

Empfehlenswert ist das Buch nicht nur, weil es einen klaren und nachvollziehbaren Überblick über die Entwicklung der literarischen Aufklärung von Gottscheds rationalistischer Legitimation der Literatur in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur selbstkritischen Rationalität bei Lessing und Wieland gewährt, sondern insbesondere, weil es nachdrücklich betont, dass diese "kritische Selbstreflektion" seit 1750 zu den "Fundamenten der Aufklärung" zählt. Das "in bornierter Weise missachtet" zu haben, wirft der Autor Adorno und Horkheimer vor, die es in ihrer "Dialektik der Aufklärung" an "historischem Blick" hätten fehlen lassen. Entgegen ihrer Behauptung sei der Diskurs der Aufklärung "gerade nicht monolithisch" gewesen und habe zudem "sehr wohl die Problematik einer Unterdrückung der 'Natur des Menschen'" reflektiert. Problemlos gelingt es dem Autor, seine These anhand einer Fülle von Zitaten Kants, Wielands und insbesondere Lessings, dem "größten Aufklärer", als zutreffend zu erweisen. Gerade Lessings kritisches Verhältnis zu aller dogmatischen Wahrheitsauffassung tritt in seinen Texten und Stücken immer wieder zu Tage. So etwa, wenn er seinem Nathan in einem Monolog die Worte in den Mund legt: "Er will - Wahrheit. Wahrheit! Und will sie so, - so bar, so blank - als ob die Wahrheit Münze wäre!" Eine Passage, die Hofmann allerdings nicht heranzieht. Hegel erhob Lessings Metapher, deren Urheber er sorgsam verschwieg, später in der "Vorrede" zur "Phänomenologie des Geistes" (1807) zum in philosophischen Kreisen seither weithin bekannten Aperçu, indem er feststellte, "daß die Wahrheit nicht eine ausgeprägte Münze" sei, "die fertig gegeben und so eingestrichen werden" könne.

"Gerade die Literatur der Aufklärung", so lautet Hofmanns überzeugendes Resümee, habe "Strategien entwickelt, den Prozeß der Wahrheitsfindung als eine Suche zu inszenieren, die sich jeder dogmatischen Panzerung verweigert." Sie ließe sich daher "in einer Weise interpretieren, in der sie auch in Zeiten der Postmoderne noch reizvolle Impulse zu vermitteln" vermöge.

Titelbild

Michael Hofmann: Aufklärung.
Reclam Verlag, Leipzig 1999.
260 Seiten, 7,20 EUR.
ISBN-10: 3150176166

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