Das Handbuch der literarischen Hocherotik in dritter Folge

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Hermann Kinder 1986 unter dem Titel "Die Klassische Sau" das dann so überaus erfolgreiche "Handbuch der literarischen Hocherotik" herausgab, setzte er ein Zeichen. Rückblickend ist zu erkennen, dass die Sammlung hocherotischer 'Stellen' aus Werken von Autoren mit weltliterarischem Rang bestens in die Szenerie der "Postmoderne" passte, von der damals unaufhörlich die Rede war. Mit "klassisch" waren die Werke kanonisierter Autoren der "Hochliteratur", mit "Sau" die fleischlichen Niederungen der Pornographie benannt. Die Sammlung entsprach der von Leslie Fiedler schon 1968 unter dem Namen der "Postmoderne" erhobenen Forderung, die Entgegensetzung von moderner Elite- und populärer Massenliteratur und damit auch die von Kunst und Pornographie aufzuheben.

Dass Fiedler gerade auch der Pornographie seine Sympathie erklärte, hat mit seinem vernunftkritischen Plädoyer für eine Literatur zu tun, die intensive emotionale Effekte hat. Bei Pornographie können sie bekanntlich auch körperlich besonders spürbar werden. Kinder erklärte 1986 in seinem Nachwort, dass Literatur vor allem das "Leiden an der Unmöglichkeit erfüllter Liebe" vermittle, seltener das "Glück". Dem sollte seine Sammlung entgegensteuern. Zumindest das Nachwort war im Übrigen auf Korrektheit bedacht. Die "Geschichte der 'erotischen' Literatur ist weitgehend eine Geschichte der Männerphantasien", heißt es da. Und mit vergleichendem Blick auf die visuelle Pornographie: "Bilder reizen gezielter auf, weshalb auch in den Magazinen Literatur eine geringe Rolle spielt. Bilder vergewaltigen mehr, woran es liegen mag, daß Frauen sich mehr durch Lektüre als (die üblichen) Bilder stimulieren lassen."

Das Konzept des Handbuchs hat sich bewährt. Inzwischen ist, ohne Kinder und ohne Vor- oder Nachwort, die dritte Folge erschienen, herausgegeben "von Eva Zutzel und Adam Zausel". Unterteilt ist sie in "6 Positionen". Die erste trägt den Titel "Wie alles anfängt - Von Anmache zum Zungenkuß", eine weitere heißt: "Eins, zwei, drei - ganz viele - Von Partnerschaft zu Partnertausch". De Sade durfte weiterhin nicht fehlen, besonders häufig vertreten ist Flaubert - und Robert Gernhard. Von ihm stammt auch der Beitrag für das "Vorspiel": ein Gedicht über "Das Dunkel", in dem die Verse stehen: "Dunkel lockt der Zeugungstrieb:/ Laß mich ein. Hab mich lieb."

Thomas Anz

Titelbild

Eva Zutzel / Adam Zausel (Hg.): Die allerneueste klassische Sau. Das Handbuch der literarischen Hocherotik.
Herausgegeben von Eva Zutzel und Adam Zausel.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 1999.
480 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3251004352

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