Für ein Deutschland nach Hitler

Deutschlandpläne in Widerstand und Exil

Von Claus-Dieter KrohnRSS-Newsfeed neuer Artikel von Claus-Dieter Krohn

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zum 50. Jahrestag der Gründung der Bundesrepublik und der Verabschiedung des Grundgesetzes sind zahlreiche Studien zur Erfolgsgeschichte der zweiten deutschen Demokratie erschienen. Unter ihnen hebt sich die vorliegende Dokumentation heraus, die mit den Neuordnungsplänen von Exilanten und des innerdeutschen Widerstands die Vorbereitungsphase dafür skizziert. Wenn auch die Dokumente bis auf zwei bereits veröffentlicht vorliegen, allerdings teilweise an abgelegenen Orten, so ist es das Verdienst der Herausgeber, diese jetzt geschlossen und in vergleichender Perspektive vorzustellen. Der Band lenkt den Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Grundüberzeugungen einerseits der von allen Informationen abgeschnittenen Widerstandsgruppen, andererseits der Exilanten mit ihren freien Diskussionsmöglichkeiten, die auch die zivilgesellschaftlichen Anregungen ihrer Zufluchtsländer aufnehmen konnten. Von den 16 abgedruckten Dokumenten stammen drei aus den 30er Jahren, das Prager Manifest der SOPADE, eine Erklärung der Pariser Volksfront und Hans Robinsohns Aufruf zur (bürgerlichen) Deutschen Opposition; die anderen datieren aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs und kommen von Einzelpersonen wie H. J. von Moltke, C. Goerdeler, E. Koch-Weser, L. Bergstraesser und von Gruppen wie der Association of Free Germans und dem Council for a Democratic Germany in New York, der Londoner "Union", der Internationalen Gruppe demokratischer Sozialisten in Stockholm, dem "Demokratischen Deutschland" in der Schweiz sowie dem "Freiburger" und dem "Kreisauer" Kreis aus dem innerdeutschen Widerstand.

Klar ist, dass alle diese Deutschland-Pläne nicht direkt die bundesdeutsche Nachkriegsordnung bestimmt haben, in der sich alliierte Vorgaben mit deutschen Verfassungstraditionen verbanden. Die Auswahl der Herausgeber, nicht von ungefähr mit dem zeitlichen Schwerpunkt der Kriegsjahre, zielt vielmehr

darauf, den mühsamen Lernprozess von Exil und Widerstand nachzuweisen, der den Abbau politischer Lagermentalitäten aus den Jahren der Weimarer Republik und des zerstrittenen frühen Exils, kurz: die Fähigkeit zum Kompromiss als Voraussetzung künftiger Politikfähigkeit zum Gegenstand hatte. Solche Einsichten machten jene Pläne anschlussfähig an andere, vor allem alliierte Planungen des demokratischen Neuaufbaus nach 1945; sie trugen damit zumindest indirekt zur Westorientierung der Bundesrepublik bei. Knappe Einführungen werden den einzelnen Dokumenten vorangestellt, die den Leser mit dem Kontext ihrer Entstehung, den Verfassern und den zentralen thematischen Aussagen vertraut machen. Die 50seitige Einleitung gibt einen systematischen Überblick über die unterschiedlichen Widerstandsgruppen und Netzwerke gegen das NS-Regime aus Kreisen der politischen Parteien, der Kirchen und des Militärs. Umfassend werden dabei die in den letzten Jahren erschienenen Forschungsergebnisse verarbeitet, so dass der Band schnelle und präzise Informationen in übersichtlicher Gliederung bietet.

Titelbild

Gerhard Ringshausen / Rüdiger von Voss: Die Ordnung des Staates und die Freiheit des Menschen. Deutschlandpläne im Widerstand und Exil.
Bouvier Verlag, Bonn 2000.
373 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3416029186

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