Der schmollende Muttermund

Science-Fantasia des Frauseins

Von Stefanie PhilippRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Philipp

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Dieses Buch ist kein Frontbericht zum Kampf der Geschlechter; es ist ein Buch über Frauen." In 19 Kapiteln diskutiert Natalie Angier vom "weiblichen Chromosom" bis hin zur Wollust und Aggression der Frau charmant und breit gefächert das "biologische Spektrum X". Nicht bissig und zynisch, sondern eben reizvoll bestimmt und naturwissenschaftlich tiefgründig bewegt sie sich in ihren Ausführungen zwischen Roman und Sachliteratur. Auch wenn sich Natalie Angier über eine männliche Leserschaft sehr erfreut zeigt, so schreibt sie doch in einem vertraulichen Ton ans eigene Geschlecht gerichtet. "Was macht eine Frau aus?" ist, darauf weist die Autorin selbst hin, die zentrale Frage in "Eine intime Geographie des weiblichen Körpers".

Neben wissenschaftlichen und medizinischen Grundlagen bedient sich Natalie Angier geisteswissenschaftlicher und kulturhistorischer Informationen. Gespickt mit eigenen Erfahrungen und skurrilen Anekdoten, ist ein Werk über die Physiologie des weiblichen Körpers entstanden, das Mädchen und Frauen einen differenzierten Einblick "in sich selbst" - das "Wie-funktioniere-ich" und das "Warum-ist-das-so" vermittelt.

Den Anfang der Reise durch den weiblichen Körper bildet das Ei - es ist die Ur-Form an sich, ob befruchtet oder nicht. Die dazugehörige Einleitung verrät viel über den Stil der Autorin: "Man stecke ein paar Erwachsene in einen Raum mit einem bestens aufgelegten Säugling, und man könnte ebenso gut ein halbes Pfund Butter in die pralle Mittagssonne legen. [...] Ich für meinen Teil ziehe Eier vor." Das ist klar und deutlich.

Das Chromosom an sich, wie aus dem Schulunterricht bekannt, ist keine spannende Angelegenheit; jedoch verpackt als "der Exzentriker" oder "Synekdoche für... äh... BrYllanz, für GenY" (sic!) wird Biologie geradezu literarisch. Erst recht, wenn es darum geht, wie sich unsere genetischen Anlagen auf das Verhalten auswirken: "stellen wir uns vor, unser Gehirn sei ein aus Mutter- und aus Vaterfeldern bestehendes Schachbrett. [...] Zwei Eltern wohnen, auch, in unserm Kopf! Kein Wunder, dass wir so verwirrt sind."

Natalie Angier schreibt vom "schmollenden Muttermund", vom Phallus als wenig ergiebigem Symbol ("Eine Röhre ist eine Röhre ist eine Röhre") und von der Mähr, der weibliche Orgasmus stehe möglicherweise kurz davor, wegselektioniert zu werden. Ich für meinen Teil habe Darwin und Co. über Bord geworfen und schenke der Autorin Vertrauen, die feststellt: "Stattdessen erzählt man uns, manche Frauen brauchten überhaupt keinen Orgasmus, um ein befriedigendes Sexualleben zu führen - eine in etwa so überzeugende Behauptung wie die oft gehörte These, manche Obdachlosen lebten gern im Freien."

Die Biologie-Schriftstellerin für die "New York Times" und Inhaberin des Pulitzer-Preises Natalie Angier vereint in ihrem Werk "Frau" fachliches Wissen mit einem evokativen, prosaischen Stil und versucht neben der Vermittlung neuer Erkenntnisse bekannte Theorien in neuen Zusammenhängen darzustellen.

Titelbild

Natalie Angier: Frau. Eine neue Biografie des weiblichen Körpers.
C. Bertelsmann Verlag, München 2000.
538 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3570003817

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