Emigration und Remigration

Die Zeitschrift "Exil" in ihrer aktuellen Ausgabe

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die jüngste Ausgabe der Zeitschrift "Exil" (Heft 1/2000) beschäftigt sich mit folgenden Themen: der "Remigration deutscher Architekten nach 1945" (Andreas Schätzke), dem Schriftsteller Rudolf Leonhard (Helmut Hirsch), den "autobiographischen Aufzeichnungen" des Mathematikers Peter Thullen (Reinhard Siegmund-Schultze) sowie "Brechts Trauer um Margarete Steffin" (Klaus Oettinger). Ferner bietet das aktuelle "Exil" die gewohnten Rezensionen zu ausgewählten Neuerscheinungen, einen Nachruf auf Ellen Otten (von Hermann Ruch und Gregor Ackermann) und einen Index der Jahresbeiträge 1999.

Die Remigration deutscher Architekten nach 1945 wird von Andreas Schätzke spannend dargestellt. Deutschlands Städte liegen in Trümmern, hier stellen sich Aufgaben nie gekannten Ausmaßes. Gleichwohl ist die Remigration auch für den Berufsstand des Architekten keine Selbstverständlichkeit: Die Mehrheit kehrte nicht zurück. Deshalb behandelt Schätzke neben solchen Architekten, die dauerhaft nach Deutschland remigrierten, auch solche, die - wie der Bauhaus-Gründer Walter Gropius - nur besuchsweise nach Deutschland kamen und etwa die Alliierten bei Fragen des Wiederaufbaus berieten. Walter Gropius beispielsweise hat in den USA Methoden der "Vorverfertigung" von Bausubstanz kennen gelernt, er empfielt dem Berliner Magistrat die moderne, großzügige, am Wachstum und am zunehmenden Verkehrsaufkommen pragmatisch ausgerichtete Städteplanung der Amerikaner.

Bemerkenswert ist, dass Gropius dabei die Welt "oberirdisch" deutet und die notwendigen und vor allem vorhandenen unterirdischen Versorgungseinrichtungen der Großstadt zu wenig in seine Planungen mit einbezieht. Hier denkt der Künstler, nicht der Städtebauer, und so wird sein Auftritt in Deutschland nicht nur mit Wohlwollen aufgenommen. Man wirft ihm Realitätsferne vor, und selbst Exil als solches ist für manche ein - wenn auch unausgesprochener - Stein des Anstoßes. Gleichwohl wurde dem Bauhaus im Nachkriegsdeutschland besondere Aufmerksamkeit zuteil, es gab vielfältige Versuche, die Tradition wiederzubeleben. Die wichtigsten städtebaulichen Impulse gingen bald von Begabungen wie Konstanty Gutschow, Rudolf Hillebrecht, Ernst Neufert oder Friedrich Tamms aus, die zum Teil im öffentlichen Dienst standen, zum Teil private Architekturbüros unterhielten.

Andreas Schätzke behandelt seinen Gegenstand unter dem erweiterten Aspekt der "Auswanderung", die für deutsche Architekten auch attraktive Seiten haben konnte - soweit sie freiwillig erfolgte und ihrer Kreativität nützte. Viele deutsche Architekten haben schon in den zwanziger Jahren die verlockenden Angebote Palästinas, der türkischen Republik oder Amerikas angenommen. Andere gingen aus politischer Überzeugung in die Sowjetunion. Erich Mendelsohn (1887 - 1953) beispielsweise war sowohl in den USA als auch in Palästina und in der Sowjetunion tätig.

Das nächste Heft der Zeitschrift erscheint Ende April.

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Edita Koch / Frithjof Trapp (Hg.): Exil. Forschung. Erkenntnisse. Ergebnisse. Exil 1933 bis 1945. Nr. 2.
Gegründet von Joachim H. Koch.
Verlag Edita Koch, Frankfurt 2000.
98 Seiten, 11,20 EUR.
ISSN: 07216742

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