Mühlers Büro

Bachmann-Preisträger Georg Klein demontiert den Detektivroman

Von Klaus KastbergerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Klaus Kastberger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Detektivgeschichten fangen entweder mit dem Auftritt einer Frau oder mit einem Anruf an. Da hängt so ein Sam Spade, der aussieht, als wäre er einer fernen Wildnis entsprungen, lässig hinter seinem Schreibtisch und putzt sich mit einem großen Messer die Fingernägel. Plötzlich schrillt der Apparat, die Hand greift zum Hörer und die Dinge nehmen ihren undurchsichtigen Lauf.

Im Büro des Privatdetektivs Mühler, der Hauptfigur aus Georg Kleins Roman "Barbar Rosa", haftet der Szene etwas von den Imponderabilien des Alltags an: "Mit meinen bandagierten Händen hob ich das plärrende Gerät auf meinen Schoß, pulte den rechten Zeigefinger ganz aus dem Verbandsmull, nahm schnell eine der Tassen vom Boden hoch und gurgelte mit dem Restchen Tee, um meine Meldung nicht mit allzu ungelenker Stimme aussprechen zu müssen: Mühler. Mühler Büro."

Herr Mühler trägt die Mühe im Namen, und so wundert es nicht, wie er sich in der Welt zurechtfindet, nämlich nur mühevoll. Bevor er zu seinem Auftraggeber, einem gewissen Hannsi, aufbricht, feilt er sich die hässlich krumm gewachsenen Fingernägel zurecht und schabt sich die weiche Hornhaut von den Fersen. Georg Klein, der 1953 in Augsburg geborene und heute in Berlin lebende Autor, der für einen Ausschnitt aus "Barbar Rosa" im Vorjahr den Ingeborg-Bachmann-Preis bekam, verfolgt die Antriebe des Protagonisten bis in die letzten Windungen seines Gehirns. Solcherart durchleuchtet, fällt die Dummheit des Mannes noch stärker ins Gewicht: Es ist, als ob Forrest Gump sich in den falschen Film verirrt hätte und dort die Leute zum Narren hielte.

Das Genre des Detektivromans, als den der Autor sein Buch explizit bezeichnet, schlottert Herrn Mühler wie ein zu groß gewordenes Kleidungsstück um den Leib: Da ist ein verschwundener Lieferwagen, der gesucht werden soll. Da sind geheimnisvolle Spuren, die zwar keinen Sinn machen, aber trotzdem zum Ziel führen. Und da ist vor allem ein "Auftrag", der der Geschichte Kontur und der "stupenden Blödigkeit" des Mannes doch noch eine Art von Philosophie verleiht. In dessen eigenen, unnachahmlichen Worten: "Die Logik eines Auftrages ist wie ein Skelett im Fleisch seines Verlaufs verborgen."

Das "Skelett des Verlaufs" legt Georg Klein, der sich mit dem Roman "Libidissi" (1998) und der Erzählsammlung "Anrufungen des Blinden Fischers" (1999) einen Namen als einer der wichtigsten deutschen Nachwuchsautoren gemacht hat, in "Barbar Rosa" in brillanter Weise frei; so braucht der Detektiv nur noch in seinen Erfolg hineinzustolpern. Fleisch setzt der Roman in der Schilderung der Großstadt an: da ist von geheimnisvollen Hinterhöfen und Verbindungsgängen die Rede sowie von Koinzidenzen, die nicht wirklich zu erklären sind. Aus einem rätselhaften "Gebrauchstextlager", das von zwei seltsamen Brüdern betrieben wird, bezieht Mühler wertvolle Informationen. Wie das Sammelsurium aus Texten, welches von der Bedienungsanleitung bis zum Comic reicht, genau funktioniert, scheint nebensächlich; Hauptsache, es funktioniert, und funktionieren tut in Kleins Buch ein jedes Detail.

Eines der wunderbarsten und verkommensten Dinge aus "Barbar Rosa" nennt sich Sucko. Damit ist ein so genannter "Alkoholverstärker" gemeint, der die Leute rasch abhängig macht. Man bereitet das Zeug zu Hause vor und stellt es in den Kühlschrank. Nach drei Tagen ist die Brühe, ohne nach außen irgendwelche Spuren zu zeigen, verdorben und bringt den, der sie weiterhin verwendet, unweigerlich ins Grab.

Einer literarischen Strategie zur Intensivierung hat sich der Autor bedient: "Barbar Rosa" ist ein ungemein witziges und kraftvolles, dabei aber stets lakonisches Buch. Fast scheint es, als hätte - in einer paradox zu nennenden Form - die Farblosigkeit von Herrn Mühler auf die Gesamtwelt der Detektive so viel Grau abgestrahlt, dass diese nunmehr in eine weite Ferne gerückt in den schrillsten Farben leuchtet. Mit "Barbar Rosa" geht die Sonne eines Genres unter; dafür steigt am Firmament der unsicher flackernde Stern des Herrn Mühler auf - ein unfairer Tausch, an dem der Autor seinen Profit und der Leser seine Freude hat.

Titelbild

Georg Klein: Barbar Rosa. Eine Detektivgeschichte.
Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 2001.
203 Seiten, 19,40 EUR.
ISBN-10: 3828601340

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