Kunst oder Knete?

Das Dilemma der Drehbuchautoren Jenseits von Hollywood

Von Antje GrützmacherRSS-Newsfeed neuer Artikel von Antje Grützmacher

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Ein gutes Drehbuch ist die Grundlage eines guten Films. Doch wer ist Autor eines Drehbuchs? Derjenige, der die Grundidee hat, derjenige, der sie ausführt, oder derjenige, der die Grundidee so oft umstößt, dass eine ganz andere Idee entsteht? Alle Filmschaffenden lesen das Drehbuch und in ihrer Vorstellung entstehen Bilder, die sich entweder mit denen des Drehbuchautors decken - oder eben nicht, und dann wird geändert. Der Autor hat sein Kind verloren.

Vom Loslassen-können ist in diesem Buch die Rede - das Festklammern an einer Idee kann sinnlos sein, ebenso der Versuch, andere Vorschläge zu ignorieren, nur um allein für das Drehbuch verantwortlich zu zeichnen. Aber auch das Gefühl der Prostitution spielt eine Rolle. Eigentlich wollen alle den großen Kinofilm, aber Drehbücher fürs Fernsehen sind oft lukrativer und bieten eine sicherere Einnahmequelle. Dieser Konflikt heißt die "K-Debatte": Kunst oder Knete.

Keineswegs auf Mitleid oder Betroffenheit abzielend, sondern amüsant, ironisch und selbstkritisch erzählen die Autoren von ihren Erfahrungen. So reihen sich die Beiträge zu einem informativen Lesevergnügen.

Zu Beginn wird die Geschichte des Drehbuchschreibens dargestellt, und mit Wolfram Witt, der seine Lage als ehemaliger DEFA-Autor beschreibt, der Übergang zur heutigen Situation eingeleitet. Im zweiten Abschnitt geht es um die dramatische Struktur eines Drehbuchs. Die meisten Beiträge distanzieren sich von Handbüchern des Typus "Drehbuchschreiben - aber richtig". Manche Autoren bevorzugen ein Regelwerk, andere lehnen dies ab. Die unterschiedlichen Arbeitsweisen werden hier deutlich. Der dritte Teil beschäftigt sich mit den Genres und der Frage, was im deutschen Film möglich ist. Vor allem der Beitrag von Dominik Graf gerät zu einer Auseinandersetzung mit dem "Problem" des deutschen Films. Es folgen Beiträge über die Vermittlung des Drehbuchschreibens - zum Teil ironisch oder amüsant wie der Beitrag von Holly-Jane Rahlens, zum Teil trocken und regelhaft wie der Part des Hörspielmachers Alfred Behrens.

Welchen Einfluss die Produktionsfirmen nehmen, problematisiert der Schlussteil. Als Dreingabe und kompositorisches Spiel versteht sich das selbstreflexive Drehbuch von Jochen Brunow. Sein Gegenstand ist das Geschichtenerzählen in einer Blue Box mit ihren Möglichkeiten, jede Formulierung des Drehbuchs sofort bildlich darzustellen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt, und es wird verständlich, dass es in diesem kreativen Prozess nicht nur ein Rezept für ein gutes Drehbuchs gibt. Brunows Drehbuch wird - oft mitten im Satz - von den einzelnen Beiträgen unterbrochen, genau wie die Gedanken und Einwürfe, die dem Drehbuchautor beim Schreiben durch den Kopf gehen.

Dieses Buch ist nicht nur allen Drehbuchschreibern zu empfehlen, sondern auch allen, die sich für den deutschen Film interessieren. Hier werden die Probleme offen gelegt und Alternativen aufgezeigt - die Novellierung des Urheberrechts beispielsweise oder das ungenutzte Reservoir deutscher Schauspieler, die in den standardisierten Darstellungsformen deutscher Filme verkümmern.

Titelbild

Christine Altenburg / Ingo Fließ (Hg.): Jenseits von Hollywood. Drehbuchautoren über ihre Kunst und ihr Handwerk.
Verlag der Autoren, Frankfurt a. M. 2000.
221 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3886612252

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