Empfehlenswerter Versuch, ein "Loch" zu stopfen

Uwe Japps typologische Überblicksdarstellung der romantischen Komödie

Von Arnd BeiseRSS-Newsfeed neuer Artikel von Arnd Beise

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die romantische Komödie strebte danach, eine nur "schöne Komödie" zu sein, wie es Friedrich Schlegel nannte, das heißt eine Komödie ohne satirischen, didaktischen oder sonstigen Bezug zur realen Welt; ein Schauspiel, das sich in grundloser und selbstgenügsamer Fröhlichkeit gefällt, oder wie Ludwig Tieck es formulierte: Man wollte, "daß die Bühne mit sich selbst Scherz treiben" soll. Auf vielerlei Wegen streben die romantischen Komödienautoren diesem Ziel zu, für zwei interessiert sich Uwe Japp besonders: für den parabatischen nach dem Vorbild von Aristophanes oder Shakespeare und für den illudierenden nach dem Vorbild Gozzis und Calderóns. Zwar erreicht die romantische Komödie ihr "Ziel, nur eine schöne Komödie zu sein, in letzter Instanz nicht", meint Japp, kommt ihm aber "auf beiden genannten Wegen sehr nahe".

Prototypen der parabatischen Komödie sind Stücke von Tieck: "Der gestiefelte Kater" und "Die verkehrte Welt". Parabase ist eigentlich ein Bauelement der aristophanischen Komödie und meint dort die dramaturgische Unterbrechung der Handlung, um den Chor direkt das Publikum ansprechen zu lassen. In Tiecks Komödien bedeutet es indes eine Potenzierung des theatralischen Spiels: "Der Vorhang geht auf; das Theater stellt ein Theater vor", heißt es zu Beginn der "Verkehrten Welt". In dem Theater im Theater spielen die Schauspieler Schauspieler, die eine Rolle spielen, die sie auch schon mal tauschen; das das Spiel kommentierende Publikum wird mitinszeniert, die Verwirrung erfasst die Figuren selbst (zum Beispiel Pierrot: "Für welches Schauspiel soll man sich nun interessieren? Für das Vorige, oder für das, das jetzt aufgeführt wird?"); die Handlung etwa der "Verkehrten Welt" ist drei- bis vierfach verschachtelt. Clemens Brentano hat mit seinem "Gustav Wasa" Tieck in dieser Hinsicht noch übertrumpfen und der "Tieck des Tiecks" sein wollen, wie es Dorothea Veit nannte, ohne dass dieses Stück aber die Klasse der Tieckschen Komödien erreichte.

Brentanos zweites Stück jedoch, der "Ponce de Leon", kann als Prototyp des zweiten wichtigen Typus, des illudierenden Spiels gelten. Illudierend nennt Japp - in Anlehnung an die doppelte Bedeutung des lateinischen Verbs "illudere" als "täuschen" sowohl wie "spielen" - Komödien, in denen die Intrige und die Leichtigkeit des Spiels im Vordergrund stehen. Wenn mehrere Intrigen wie in Brentanos Stück so geschickt miteinander verknüpft sind, dass sie sich gegenseitig bedingen, entsteht ein "gewisser Pluralismus der Täuschungen und Vertauschungen", so dass "damit die Intrige dem Spiel auf solche Weise angenähert wird, dass sie selbst spielerische Züge" zeigt. "Ponce de Leon" enthält sich weitgehend satirischer, moralischer und politischer Referenzen und käme daher dem Ideal der "freien Heiterkeit" moralischer Gleichgültigkeit schon recht nahe, wenn es da nicht die theoretisch abgelehnte Bitterkeit gäbe, die durch das Unglück der Valeria und den Verdruss Porporinos ins Spiel kommt.

Freilich geht die Sache nicht ganz auf. Keinesfalls lassen sich alle romantischen Komödien den zwei genannten Typen zuordnen, weshalb Japp eine dritte Kategorie einführt. Und zwar die einigermaßen hilflos "dritte Kategorie" genannte, zu der er perturbierende (etwa Tiecks "Rotkäppchen"), universalisierende (etwa Tiecks "Octavianus"), historisierende (etwa Arnims "Stralauer Fischzug") oder mikrologische Stücke (Schatten- und Puppenspiele) zählt, ohne damit "behaupten" zu wollen, dass sich nicht noch "andere Namen und Rubriken" finden ließen, wie er sagt. An diesem Punkt zeigt sich dann doch die Grenze des typologischen Verfahrens. Als "innovativ" gilt Japp allein die parabatische und illudierende Gestaltungsweise, daneben gibt es aber noch den Rest der Stücke, die auch irgendwie romantisch, aber weder parabatisch noch illudierend oder beides zugleich sind, etwa bei Achim von Arnim.

An sich ist Japps Buch in der Hauptsache als nach Autoren gegliederter Überblick konzipiert. Nacheinander werden die Beiträge Tiecks, Brentanos, Arnims, Eichendorffs und Platens zum romantischen Komödienschaffen vorgestellt, wobei die drei ersten als Trinität der romantischen Komödie das Zentrum bilden, die beiden anderen aus verschiedenen Gründen eher randständig bleiben: Eichendorff wegen seiner "spätzeitlichen Situation", Platen, weil er mit romantischen Mitteln gegen die Romantik polemisierte.

Vollends außerhalb jeder typologischen Ordnung bewegt sich das Kapitel "Theater", das die immer wieder behauptete Bühnenferne bzw. -untauglichkeit des romantischen Dramas widerlegt und zu dem Schluss kommt, dass die Dramatiker überwiegend doch mit dem Gedanken an eine Aufführung geschrieben haben, wenn auch nicht mit der Idee der damals aktuellen Guckkasten-Bühne im Hinterkopf, sondern mit dem Ideal der Rückkehr zur Shakespeare-Bühne, wie sie Tieck forderte.

Als einführender Überblick ist das schmale Buch, das im Übrigen sehr gut geschrieben und entsprechend angenehm zu lesen ist, hervorragend. Den vor allem anfangs forcierten typologischen Ansatz finde ich allerdings nicht unbedingt überzeugend. Die Benennung der parabatischen und illudierenden Gestaltung als Pole eines ansonsten in sich nicht schematisch differenzierten Korpus hätte meines Erachtens gereicht. Aber der selbst auferlegte Zwang zur Systematik - vielleicht geboren aus dem Bedürfnis zur Wissenschaftlichkeit jenseits der Geschichtserzählung - ist ein interessantes Experiment, das der Klarheit der Darlegungen augenscheinlich förderlich war. Das Problem wird dadurch gemildert, dass die Typologie dem Überblick untergeordnet ist bzw. ihre Plausibilität "im Rahmen des Überblicks" zu erweisen hat (Vorwort).

Das kann sie dann auch über weite Strecken. Arnims Stücke allerdings, die sich einer, wenn nicht jeder "distinkten Zuordnung entziehen", wie Japp offen zugibt, haben ein systemsprengendes Potenzial. Kennzeichnend dafür sind Sätze wie zum Beispiel: "Welche typologischen Affinitäten das Arnimsche Schattenspiel auch immer durchwalten (es sind mehrere), abgeschlossen wird es mit einem parabatischen Effekt". Das klingt trotz seiner Unverbindlichkeit im Ganzen letztlich gezwungen und sagt über Arnims fantastisches Drama "Das Loch" im Grunde nichts, oder jedenfalls zu wenig.

Immerhin weicht Japp in seiner Darstellung diesem Problem nicht aus und kapituliert freimütig vor diesem exzentrischen, von der Forschung noch kaum gewürdigten Œuvre: "Angesichts der Vielfalt der Arnimschen Lustspielproduktion verwundert es nicht, daß Arnim auch Stücke verfaßt hat, die sich der hier verfolgten Typologie nicht oder nur sehr aus der Ferne assoziieren lassen". Solche Sätze verraten die sympathische Selbsteinschätzung, dass der Verfasser mit seinem Überblick nicht den Stein der Weisen gefunden zu haben glaubt.

Angesichts der Situation, dass das Drama der Romantik überhaupt und die romantische Komödie im Besonderen von der Forschung bisher verhältnismäßig stiefmütterlich behandelt wurde (neuerdings scheint sich allerdings eine Trendwende abzuzeichnen, zu der auch Japps Buch gehört), sollten wir dankbar sein, dass es diesen Versuch eines systematisierenden Überblicks gibt.

Titelbild

Uwe Japp: Die Komödie der Romantik. Typologie und Überblick.
Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1999.
138 Seiten, 23,50 EUR.
ISBN-10: 3484321008

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