Ein Klassiker wird besichtigt

In die Jahre gekommen - Loriots Figurenwelt in einem Jubiläumsband

Von Bernd SchluckaufRSS-Newsfeed neuer Artikel von Bernd Schluckauf

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der trocken-komische Legendenstil Vicco von Bülows (Künstlername Loriot), Anfang der 50er Jahre entwickelt, erlebte seine Hoch- und Blütezeit mit den Sammelbänden "Loriots Großer Ratgeber" (1967) und "Loriots Heile Welt" (1973). Der Ratgeber-Aspekt, eine freiwillig komische Variante des verstaubten Knigge und in der modernen Form des erzähltes Bildwitzes präsentiert, ist ebenfalls schon in den 50er Jahren von Loriot kultiviert worden. Damals mussten die Deutschen, ausgebombt, vertrieben, beschämt, wieder Mores lernen, versuchen, Teil der zivilisierten Welt zu werden und sich entsprechend zu verhalten. Loriot führte ihnen gewitzt-uneigentlich vor, wie man es nicht machen sollte, wenn man in seiner Einrichtung sitzt (Ohrensessel, Loriot'sches Sofa) und Gäste empfängt. Meist führen die - gut gemeinten - Benimmregeln in absurdeste Situationen, ins Desaster, wo nur eines hilft: Ruhe bewahren und so tun, als ob nichts wäre.

Loriot gestaltet Typen wie den Kleingärtner Bernhard B., der mit Güllestiefeln ins Wohnzimmer marschiert und seine staubsaugende Ehefrau anblafft: "Wie oft soll ich dir noch sagen: Papier gehört nicht auf den Komposthaufen!"

Der erzählte Bildwitz aus Loriots Feder ist lehrreich und längst ein Klassiker: Da gibt es den Herrenmenschen, etwa den Vordrängler, der sich was Besseres dünkt und an der Theaterkasse sein Waterloo erlebt. Loriot thematisiert unangemessenes Verhalten in extremen Lagen; die raffinierte Emblematik steckt voller Spannung, voller bewusst ausgereizter und überzogener Widersprüche. Nicht selten verklärt und konterkariert die Legende (die Subscriptio) das Bild (die Pictura). Der Vorspruch, das Motto (die Inscriptio), oft für einen ganzen Bilderzyklus formuliert, taucht die offenbaren und geoffenbarten menschlichen Schwächen in das milde Licht der Ironie. Aus diesem Spannungverhältnis resultiert der trockene, bisweilen böse, immer produktive Loriot'sche Witz.

Sein Beispiel hat Schule gemacht, vor allem in Kreisen der "Neuen Frankfurter Schule" - F. W. Bernstein, Robert Gernhardt, Volker Kriegel, Greser & Lenz, Hans Traxler, F. K. Waechter haben von ihm gelernt und profitiert. Das vorliegende Hausbuch bietet "Loriots Großen Ratgeber" und "Loriots Heile Welt" in einer günstigen Sonderausgabe. Ein herrlicher Band zum "Frühlingseinzug".

Titelbild

Loriot: Das große Loriot Buch. Gesammelte Geschichten in Wort und Bild.
Herausgegeben von Vicco von Bülow.
Diogenes Verlag, Zürich 2000.
600 Seiten, 15,30 EUR.
ISBN-10: 3257020686

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