Zeitgeistsurfer ohne Tiefgang

Ulrich Woelks neuer Roman "Liebespaare"

Von André SchwarzRSS-Newsfeed neuer Artikel von André Schwarz

Fred Saltz, Storyliner der Soap "Wo die Liebe hinfällt", seine Frau Nora, eine Germanistin, der Schriftsteller Robert Hanson und dessen Frau Christa - die Hauptpersonen des Romans sind allesamt typische Vertreter der neuen Mittelschicht, wie sie überall propagiert wird. Sie leben uns den trendbestimmten Lifestyle der Neunziger vor: noble Kleidung, feines Essen beim Edel-Italiener, dazu den passenden Wein. Selbstverständlich wohnt man in Berlin, fährt ein altes französisches Auto und hat logischerweise ein Häuschen in Italien, wo man während des Sommers seiner Kreativität nachgehen kann.

Nora und Fred sind längere Zeit verheiratet und möchten ihrer Ehe etwas Schwung verleihen, versuchen es mit einer Swinger-Party, treffen dann auf Robert und Christa. Er ist Autor erotischer Geschichten, sie in gewisser Weise sexuell frustriert. So geschieht es, dass sie einander näher kommen als eigentlich geplant: Nora beginnt ein Verhältnis mit Robert, Fred mit Christa. Überhaupt ist Sex ein wichtiges Thema in diesem Roman, allgegenwärtig ist der Wunsch nach Paarung, entweder anonym oder auf Parties, als Antidot gegen gepflegte Langeweile. Mehrere andere Handlungsstränge werden angeschnitten, so etwa die Dreiecksgeschichte zwischen Kathrin, Greta und Thomas, doch für die eigentliche Story sind sie mehr oder weniger bedeutungslos. Woelk sieht seine Figuren auf der Suche nach einer tieferen, anderen Art von Liebe, doch er stellt diese Suche, abgesehen von wenigen Momenten, ohne größere Tiefe dar.

Das orientierungslose Lebensgefühl der Protagonisten deutet Fred, der sich hobbymäßig mit der Evolution beschäftigt, dahin gehend, dass der Mensch ein Auslaufmodell sei, der von seinen Genen beherrscht dem Untergang entgegentaumele. Rettung ist nicht in Sicht, wichtig ist das Hier und Jetzt.

Der Roman lässt sich schnell und gut lesen, wirkt aber dann doch recht oberflächlich. Die Figuren handeln und wirken beinahe schon wie die Charaktere in Freds Serie. Merkwürdig flach und unbedeutend, auf das Äußere fixiert und geradezu austauschbar sind manche der Personen und Geschehnisse und man hat das Gefühl, dass morgen jemand ohne weiteres für eine Fortsetzung die Geschichte weiterschreiben könnte. Es gibt gewiss auch gute Momente, doch sind sie leider in der Unterzahl. So ist Ulrich Woelk eine dem Zeitgeist entsprechende und ihn auch repräsentierende Geschichte gelungen, doch zeigt sich so die flache Unbedeutenheit des Geistes des ausgehenden 20. Jahrhunderts.