Inge und Mira

Marianne Fredriksson erzählt die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft

Von Hille KückRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hille Kück

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Buch "Inge und Mira" von Marianne Fredriksson ist die Geschichte zweier Frauen, die wohl nicht unterschiedlicher sein könnten.

Sie lernen sich zuerst eher oberflächlich über eine ihrer Freizeitbeschäftigungen kennen: die Gärtnerei. Dass sich diese Begegnung zu einer intensiven Freundschaft entwickeln würde, ahnt keine der beiden.

Durch gegenseitige Besuche und sich annähernde Gespräche finden sie langsam und fast beschwerlich zueinander. Zurückhaltung und Misstrauen stehen im Weg, denn die Frauen sind in sehr unterschiedlichen Verhältnissen aufgewachsen. Inge ist die "typische Schwedin" - modern und unabhängig -, sie ist von Beruf Lehrerin und schreibt Lehrbücher. Sie ist geschieden, und ihre beiden Töchter leben zusammen mit dem Vater in London.

Mira ist Chilenin. Der blutige Militärputsch Pinochets zwang sie, ihren Mann und ihre beiden Söhne, nach Schweden auszuwandern. Inzwischen ist sie über vierzig, geschieden, die Söhne sind erwachsen. Ihre Herkunft macht den Unterschied zu Inge deutlich. Das Leben der Frauen in Chile ist noch immer von Katholizismus und Unterwürfigkeit geprägt. Aber je besser sich die Frauen kennen lernen, desto mehr verbindet sie.

Beide wollen ihr Leben ordnen und der Zukunft entgegensehen, was sich als nicht so einfach erweist, da sie feststellen müssen, dass ihre Vergangenheit sie nicht loslässt.

Negative Ereignisse drängen sich immer wieder in beider Bewusstsein, lassen sich nicht unterdrücken. Mira erinnert sich an die schrecklichen Ereignisse, die ihrer Familie unter der Herrschaft Pinochets in Chile widerfahren sind. Einer ihrer Söhne wurde erschossen, sie selbst und ihre noch minderjährige Tochter wurden vergewaltigt. Ihre Tochter ist seitdem verschwunden.

Eine Ansichtskarte des Ex-Mannes bringt Inge aus dem Gleichgewicht. In mehreren Gesprächen mit ihren Töchtern erfährt sie von den fiesen Charaktereigenschaften und verbrecherischen Handlungen ihres Ex-Mannes, der versucht hatte, die Töchter zu missbrauchen.

Vergleichbare Empfindungen und Erfahrungen helfen Inge und Mira, das Vertrauen zueinander zu stärken und die Vergangenheit zu bewältigen.

Auch die Familien von Inge und Mira kommen sich immer näher. Es werden gemeinsame Feste gefeiert, man ist füreinander da. Inge wendet sich an die Beauftragte einer Londoner Menschenrechtskommission, die herausfinden soll, was mit Miras Tochter geschah. Wie der Zufall es will, ist diese Beauftragte auch Opfer der Pinochet-Herrschaft und wird in die Familientreffen miteinbezogen. Zudem ist ihr Sohn mit einer von Inges Töchtern liiert.

Marianne Fredriksson erzählt von der gegenseitigen Annäherung zweier völlig unterschiedlicher Frauen. Der Leser wartet gespannt auf den Moment, in dem sich eine feste Freundschaft entwickelt. Es ist faszinierend, wie die Autorin den Sinn von Familie, Freundschaft und Kommunikation durch Gefühle transportiert.

Und doch gibt es etliche Passagen, denen etwas fehlt: Unter anderem erfahren wir so gut wie nichts über die Rolle der Ehemänner, die hauptsächlich negativ dargestellt werden, ohne dass wir einen Einblick in ihre Sichtweise der Geschehnisse bekommen.

Darüber hinaus scheint es so, dass einige Personen in diesem Roman zu problembelastet sind und andere wiederum nicht. Es fehlt ein Ausgleich sowie auch teilweise Hintergründe zum besseren Verständnis.

Titelbild

Marianne Fredriksson: Inge und Mira. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Senta Kapoun.
Wolfgang Krüger Verlag, Frankfurt a. M. 2000.
236 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3810506370

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