Was ist Kunst?

Ein Buch über "Spielregeln der Kunst"

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was macht die Kunst zur Kunst? Welche Regeln bestimmen die gesellschaftliche Konstruktion von Kunst? Welche Strategien erweisen sich in diesem Spiel als erfolgreich? Diese und ähnliche Fragen haben die Kunstentwicklung des 20. Jahrhunderts beeinflusst, meint Wolfgang Zinggl, Bundeskurator für Kunst in Österreich und Herausgeber der "Spielregeln der Kunst". In weiten Kreisen, schreibt er, gilt die Betrachtung immer noch als das wichtigste Werkzeug der Kunstbestimmung. Auch die Ansicht, der Kunst lägen gemeinsame und allgemein gültige Kriterien zugrunde, sei nach wie vor verbreitet. Viele Institutionen klammerten sich an tradierte und überholte Vorstellungen und behinderten jede Veränderung. Dabei seien gerade die Institutionen an den Umwälzungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts mitbeteiligt gewesen. Indem sie eine Kunst ausstellten, die neuen Prämissen folgte, hätten die Institutionen den Kunstbegriff des späten 18. und des 19. Jahrhunderts attackiert, der sich auf Gemälde und Skulpturen und dazu noch auf die Abbildung der sichtbaren Welt beschränkte, also dem Ideal der Mimesis verpflichtet gewesen sei. Aber ohne neue Kriterien sei die Kunst unwiderruflich ihrem Ende geweiht. Das hatte einst schon Hegel prophezeit.

Mit der Präsentation einer Kunst, die den alten Kriterien nicht mehr entsprach, gaben die Ausstellungsräume seinerzeit, laut Zinggl, den Ring für eine Diskussion über neue Kriterien der Kunst frei, die bis heute anhält. Doch gegenwärtig zögen die Institutionen, Museen und Zeitschriften durchweg nicht mehr mit. "Ihre Angst vor einer noch größeren Orientierungslosigkeit als zu Beginn des 20.Jahrhunderts lässt sie in alte Wertvorstellungen zurückfallen. So verliert die Kunst schon allein deshalb an Akzeptanz, weil sie nur noch marginal auf gesellschaftliche und technische Herausforderungen reagiert und lediglich ökonomische Veränderungen, populistisches Spektakel und der selbstreferentielle Kunstrummel den Kunstbegriff diktieren."

Um das Zusammenwirken der Kräfte, die gegenwärtig für die Konstruktion von Kunst wichtig sind, transparent zu machen, initiierte Zinggl vom Herbst 1998 bis zum Sommer 1999 eine Ringvorlesung über "Spielregeln der Kunst", bei der Fachleute in verschiedenen österreichischen Städten ihre Thesen vorstellten und mit ihren Kollegen und dem Publikum vor Ort darüber diskutierten. Einige Referate dieser Vortragsreihe liegen nun gedruckt vor.

Im 19. Jahrhundert, stellt der Herausgeber in seiner Einführung fest, sei es verhältnismäßig leicht gewesen, die Spielregeln der Kunst zu beherrschen. Doch inzwischen hätten ökonomische und technische Entwicklungen ein Umdenken erfordert. Fraglich sei zudem, ob tatsächlich für Kunst überhaupt etwas Verbindendes vorliegen müsse. Die Kunstdebatte sei auch ein Spiel um Anerkennung mit oft mächtigen Mitspielern, an dem der Kunstmarkt ebenso Anteil habe wie die Künstler, Kritiker, Kuratoren, Sammler, Käufer, Lehrer und Politiker. Natürlich gehorchen Institutionen, die an der Entwicklung und Bewahrung von Kunst beteiligt sind, bestimmten Kriterien von Kunst. Das Fernsehen beispielsweise braucht Bilder, damit es etwas als Kunst präsentieren kann, und unterstützt so die Vorstellung, dass Kunst visuell geprägt sein muss. Aber auch Kunsttheorien, Biografien der Künstler einschließlich biografischer Legenden spielen hierbei eine Rolle, ebenso Gesellschaftspolitik. Wer jedoch "auf einer gottgegebenen Kunst beharrt", warnt der Kunstexperte, "lässt das autoritäre Weltbild über die Kunst zurückfließen in eine Gesellschaft, die im Begriffe ist, sich mühsam von eben diesem zu befreien."

Die übrigen Autoren, die leider nicht näher vorgestellt werden, befassen sich u. a. mit Kulturpolitik, Machtverhältnissen im Kunstsystem, dem Künstlerberuf, Kunstuniversitäten, Kunstgeschichte, Ausstellungspolitik und, last but not least, mit Kunstkritik, wobei auch auf die verschiedenen Documenta-Ausstellungen in Kassel, durchaus nicht unkritisch, eingegangen wird.

Ein kleines, gehaltvolles Büchlein, das allerdings nur einen kleinen Insiderkreis ansprechen dürfte.

Titelbild

Wolfgang Zinggl (Hg.): Spielregeln der Kunst.
Verlag der Kunst, Amsterdam und Dresden 2001.
133 Seiten, 15,20 EUR.
ISBN-10: 9057051664

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