Lasst Blumen sprechen

Der Verfall unserer Verlagskultur am Beispiel von Christian Osters Roman

Von Lutz HagestedtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lutz Hagestedt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die 205 Seiten mit großem Durchschuss sind schnell gelesen. Es geht um einen jungen Mann mit großer Wohnung. Luc Gavarine verliert seinen Hausschlüssel, damit die Wohnung, damit die Freundin. Und findet das Glück.

Größer als der Durchschuss ist der Ausschuss. Christian Osters Prosa ist manieriert und tritt erzählerisch auf der Stelle. Immerhin: "Meine große Wohnung" wurde in Frankreich mit dem Prix Médicis ausgezeichnet.

Die eigentliche Heldin des Buches aber ist die Übersetzung. Sie ist von trauriger Gestalt. Die Französische Botschaft in Berlin hat sie gefördert. Weiß sie, was sie sich (und uns) damit angetan hat?

Unser Held hat seine Mappe verloren, in der auch der Schlüssel lag. Die Mappe war sein ständiger Begleiter, sogar auf dem kurzen Weg zum Bäcker: "Ich schob das Brot schräg hinein, so dass das Ende wie eine Galionsfigur aus der Öffnung herausragte, die bei diesem Modell von der Klappe in Verschlussposition ausgespart blieb." Seltsam, diese Variante mit "Klappe", deren "Öffnung" in "Verschlussposition" - wie heißt es? - "ausgespart" bleibt. Die Übersetzerin verwendet zwar irgendwie die deutsche Syntax und auch deutsche Wörter, aber es kommt kein Deutsch dabei heraus: "Lieber als bis Ladenschluss zu warten, kaufte ich Blumen, die ich ihr nicht schenkte, denn wiederzukommen, um Blumen zu kaufen, ja, schließlich konnte ich gut Blumen kaufen, ohne dass Anne es mir übelnahm."

Das bekannte Wort "Lasst Blumen sprechen" hat in solchen Verbalattacken auf uns Leser seinen Ursprung. Schlechte Übersetzungen kommen vor, darüber muss man sich nicht aufregen. Aussichtslose Fälle wie dieser sind schon seltener. Jedes Lektorat wäre hier Strafarbeit gewesen. Der Punkt ist ein anderer: Mit einer Spur von Verlagskultur würde sich ein Verlag ein Buch nicht fördern lassen, ohne für ein würdiges Erscheinen Sorge zu tragen.

Titelbild

Christian Oster: Meine große Wohnung. Roman.
Übersetzt aus dem Französischen von Lis Künzli.
Eichborn Verlag, Frankfurt 2001.
206 Seiten, 18,40 EUR.
ISBN-10: 382180694X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch