Memento, betroffen
Margot Pennington verschenkt mit "Memento mori" die Chance, das "Sein zum Tode" zu überdenken
Von Anette Müller
Besprochene Bücher / Literaturhinweise"Wenn Menschen zusammenkommen und miteinander wesentliche Fragen stellen, so ist das eine wunderbare Eröffnung ins Leben hinein", so der Klappentext zu "Memento mori. Eine Kulturgeschichte des Todes". Der Rezensentin läuft es bereits jetzt, angesichts einer solchen Phrase, eiskalt den Rücken herunter.
Als Erstes posaunt Margot Pennington ihre Eignung heraus, das "Verhalten der Menschen zum Tod in der Geistes-, Kultur- und Religionsgeschichte" darzustellen, und zwar über ihre berufliche Qualifikation als Diplom-Psychologin und Diplom-Soziologin hinaus: "Ich habe Todesnähe selbst erlebt. Diese Nähe zum Tod hat mich ins Leben initiiert, hat mich ausgerichtet, hat mich als unbequem Fragende zurückgelassen." Man ist betroffen, schließlich ist Frau Pennington es auch, liegt ihr doch nicht nur das Nachzeichnen einer Kulturgeschichte des Todes am Herzen, sondern auch die Erforschung vom Sinn des Lebens. Ihrer Ansicht nach wird die Sinnfrage bezüglich des Todes heute weitgehend ausgeklammert und daraus folgert sie: "Der Tod ist so zu einem Problem des einzelnen Individuums geworden."
Pennington belehrt über "Todesbilder im Wandel der Zeit" ebenso wie über "Das Leben mit dem Tod", entwickelt aber keines der Themen zufrieden stellend weiter - und so bleiben die Betrachtungen der Autorin stets an der Oberfläche. Die Entwicklung der Todeserfahrung und den Wandel im Umgang mit dem Tod beschreibt sie in kompakter Form, es gelingt ihr nie, wirklich für ihr Thema zu begeistern. Zu oft schaut der erhobene Zeigefinger hervor; referiert die Autorin moralinsauer, wie die böse Spaßgesellschaft den Tod immer weiter in die hintersten Bereiche des (Bewusst-)Seins zurückdrängte und übersieht dabei, dass die Spaßgesellschaft auch vor dem Tod nicht Halt macht.
Penningtons Gesellschaftskritik mag berechtigt sein, die Gelegenheit, wirkliche Denkanstöße zu geben wird durch ihren ewig betroffenen und belehrenden Sozialarbeiter-Ton verschenkt. Gelegentlich mag man die Thesen der Autorin auch nicht so recht einsehen: "Unsere Krankenhäuser sind so gesehen zu einem Schauplatz geworden im Kampf gegen den Tod. [...] Ein sterbender Patient ist medizinisch uninteressant und verdirbt die Krankenhausstatistiken. Das wird tunlichst vermieden, indem Terminalpatienten wo immer möglich zum Sterben nach Hause geschickt werden." Dass es meist dem Wunsch sterbender Patienten entspricht, zu Hause sterben zu dürfen, ignoriert Pennington.
Gelungen ist dagegen Penningtons Exkurs in die Philosophie: hier stellt sie die Haltungen verschiedener Philosophen von Kierkegaard über Heidegger und Jaspers bis hin zu Sartre und Camus knapp und verständlich dar. Auch das anschließende Kapitel "Zur Psychologie der Sterblichkeit", in dem sich die Autorin mit der Haltung Freuds und Jungs zum Tod beschäftigt, bemüht sich um Klarheit.
Penningtons Anliegen, das Thema Tod in unserer Gesellschaft wieder zum Gegenstand der Diskussion zu machen, ist durchaus berechtigt, bleibt aber zu sehr allgemeiner Rückblick auf die Kulturgeschichte des Todes. Pennington kann sich offensichtlich nicht entscheiden, ob ihr "Memento mori" lediglich eine Kulturgeschichte des Todes sein soll oder ein flammendes Plädoyer für einen neuen gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod. Eine solche Entscheidung hätte dem Buch gut getan, denn beides zusammen mag der Autorin nicht gelingen.