Fit für die europäische Cocktailparty?
Jürgen von Stackelberg hat einen Schnellkurs in französischer Literatur verfasst
Von Monika Münch
"Europäisch orientiert" - wollen wir das nicht alle sein? Der Ausdruck atmet Kultur, Bildung, Fortschritt: Ideale, die es sich für gewöhnlich hart zu erarbeiten gilt, von denen aber doch jeder mit möglichst wenig Aufwand möglichst viel abhaben möchte. Jürgen von Stackelberg weiß um dieses Dilemma, und er weiß Rat. Im Zuge der europäischen Einigung hat der Göttinger Professor der Romanistik auf 260 Seiten einen Rundumschlag der französischen Literaturgeschichte vorgelegt: "nicht nur für Studierende", sondern für ein "allgemein gebildetes", und - ach, das hören wir gerne - für ein "europäisch orientiertes Publikum" bestimmt. Wie gut also, dass es Europa gibt.
Der geneigte Leser beginnt seine Zeitreise im Mittelalter und lernt dort, dass in jener finsteren Zeit eine nationale Zuordnung der Literatur noch kaum möglich war. Er trifft Rabelais und Montaigne in der Renaissance, erfährt im Anschluss von den wichtigsten Werken aus Barock und Klassik, eilt durch das Zeitalter der Aufklärung, betrachtet atemlos das 19. Jahrhundert und zum Schluss das 20.
Tatsächlich wird von Stackelberg seinem selbst gesteckten Ziel gerecht: Er steigt vom hohen Ross der Wissenschaft und distanziert sich oft von den gängigen Forschermeinungen. Sein Stil ist sympathisch, wenn er geduldig Zusammenhänge aufzeigt, die dem vorgebildeten Leser überflüssig erscheinen müssen.
Es ist handlich, dieses Buch, und es hält, was es verspricht: es verschafft einen ersten Überblick. Wer sich ein ernsthaftes Interesse an Literatur auf die Fahnen geschrieben hat, der sollte an Ländergrenzen nicht Halt machen, das verdeutlicht von Stackelberg an zahlreichen Stellen. Dass er Recht hat, muss hier und heute längst nicht mehr bewiesen werden. Aber viel mehr als diesen Überblick kann das kompakte Taschenbuch dann doch nicht leisten. Inhaltsangaben der herausragenden Werke, Kurzbiographien der bedeutendsten Dichter und grobe sozialgeschichtliche Einordnungen machen freilich Lust auf mehr - auch das zählt der Autor im Vorwort zu seinen Absichten. Um die so entstehenden Lücken bezüglich der wissenschaftlichen Vollständigkeit zu schließen, fügt von Stackelberg zum Schluss eine kommentierte Literaturliste an, die sich als fundierter Wegweiser im Bücherdschungel der Romanisten erweist.
Monika Münch