Fanny Lewald und ihr Prinz

Der Briefwechsel zwischen Fanny Lewald und Carl Alexander zu Sachsen

Von Christina UjmaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Ujma

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit dem Briefwechsel zwischen Fanny Lewald und Carl Alexander von Sachsen-Weimar hat der Verlag Hermann Böhlaus Nachfolger Dokumente einer ungewöhnliche Freundschaft wieder aufgelegt. Carl Alexander hatte im Herbst 1848 der in Weimar weilenden Berliner Nachwuchsautorin Fanny Lewald seine Aufwartung gemacht. Der Enkel von Goethes Herzog war sehr daran interessiert, Weimar wieder zu einem Musenort zu machen, er suchte die Freundschaft von Schriftstellern und Künstlern. Mit Lewald hat er sich auf Anhieb gut verstanden, im Anschluss an das Treffen entwickelte sich eine Freundschaft, die bis zu Lewalds Tod dauern sollte und die, wie vor der Erfindung des Telephons üblich, in einem regen Briefwechsel resultierte. Trotzdem war es eine schwierige Freundschaft, es war das gemeinsame Interesse an der Kunst, das die Standesunterschiede zwischen einer bürgerlichen Schriftstellerin jüdischer Herkunft und dem Erbprinzen eines deutschen Großherzogtums mit Mühe überbrücken konnte.

Mit besagten Standesunterschieden geht Lewald recht selbstbewusst um. Als Künstlerin steht sie über solchen Kleinigkeiten, als Demokratin kann sie dem Feudalismus wenig abgewinnen, dies lässt Lewald den Prinzen gleich zu Anfang des Briefwechsels wissen. Man schreibt schließlich das Jahr 1848, das zu schönsten Hoffnungen Anlass gab. Als sich die Dinge nicht so entwickelten wie Fanny Lewald erhoffte und Carl Alexander befürchtete, weicht man auf unverbindliche Themen aus, obwohl Lewald immer wieder politische Vorstöße und Interventionen für verfolgte oder exilierte Freunde unternimmt. Damit kann oder will der Prinz nicht viel anfangen, ebenso wenig wie mit den frauenrechtlicherischen Ideen, die Lewald öfter vorbringt.

Was verband also den Prinzen und Fanny Lewald? Beide waren begeisterte Verehrer Goethes, aber korrespondieren auch über zeitgenössische Literatur. Zudem schätzt er sie als Schriftstellerin, zu jedem neuen Roman, den Lewald ihm schickt, schreibt Carl Alexander eine ebenso wohlwollende wie ehrliche Einschätzung, dies trifft selbst für die Zeiten zu, in denen das Verhältnis abgekühlt war. Während die Freundschaft mit Lewald für Carl Alexander bedeutet, dass er mit einer seiner Lieblingsschriftstellerinnen im persönlichen Dialog stand, war der Prinz für Lewald ein ungemein praktischer Bekannter. In einem System, in dem Patronage des Adels eine wichtige Rolle spielte, war ein Prinz, später dann Großherzog eine nützlicher Freund, den es auch nicht störte, sich nützlich zu machen: so versuchte er bei der Scheidung ihres Lebensgefährten Stahr behilflich zu sein und machte auf Bitten Fanny Lewalds ihren Stiefsohn Alwin Stahr zum Konsul in Lille.

Während Fanny Lewald beim Schreiben der Briefe in ihrem Element ist und vierzig Jahre lang temperament- und lebensvoll schreibt, variiert die Prosa des Prinzen beträchtlich. In den ersten Jahren sind seine Briefe intelligent und kunstsinnig, wie Lewald übt er sich manchmal im brieflichen Flirt, wirbt um sie, wie sie um ihn. Sein Ton ändert sich allerdings beträchtlich, als er nach dem Tod seines Vaters 1852 Großherzog von Sachsen-Weimar wird. Carl Alexander hat wenig Zeit und Neigung, den Briefwechsel aufrecht zu erhalten, zudem plagen ihn Krankheiten wie auch eine gewisse Unlust an seinem Amt. Es ist vor allem Fanny Lewalds Hartnäckigkeit zu verdanken, dass die Korrespondenz nie ganz zum Erliegen kam. Auch als nach ca. zehn Jahren Lewald und Carl Alexander den freundschaftlichen Ton wiederfinden, ist der Unterschied zu seinen frühen Briefen eindeutig, aus dem idealistischen und kunstsinnigen Prinzen ist ein trockener steifer Aristokrat geworden, dessen Prosa wie seine Persönlichkeit verblasst ist.

Nur manchmal, wenn er Fanny Lewald während eine ihrer vielen Reisen schreibt, werden seine Briefe lebendig, besonders wenn die Post nach Italien geht, das ihn genauso begeistert wie sie. Hier wird auch deutlich, dass sich beide in denselben künstlerisch-literarischen Zirkeln bewegen, die nicht national gebunden sind und deren Angehörige man in Paris wie in Rom treffen konnte.

In den Altersbriefen, vor allem nach dem Tod von Lewalds Gatten Adolf Stahr, ändert sich der Ton noch einmal. Carl Alexander und Lewald korrespondieren jetzt als alte Freunde in der doppelten Bedeutung des Wortes. Beide erörtern die Freuden und die Leiden des Älterwerdens mit erstaunlicher Offenheit und unverstellter Herzlichkeit. Nachdem sie zu Anfang ihrer Bekanntschaft durch politische, kulturelle und weltanschauliche Gräben getrennt waren, bewegt beide, besonders aber den Herzog jetzt das Gefühl, einer Generation anzugehören, deren Zeit vorüber ist.

Für die Lewald-Forschung, wie für Historiker, die sich mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschäftigen, bietet der Briefwechsel viel Interessantes. Ohne Vorkenntnisse auf diesen Gebieten ist eine Gewinn bringende Lektüre jedoch schwierig, dies liegt nicht zuletzt an Eckart Kleßmanns Einführung, die es versäumt, den historischen Kontext zu erläutern und auch einige Ungenauigkeiten enthält.

Es ist erstaunlich, dass der Verlag die ursprünglich von Rudolf Göhler herausgegebene Briefausgabe aus dem Jahr 1932 einfach nachdruckt, ohne auf diesen Umstand zu verweisen. Zwar werden die Anmerkungen Göhlers übernommen, sein Vorwort wurde jedoch gestrichen. Das ist schade, denn Göhler war in Werk und Vita Fanny Lewalds sehr bewandert und hatte es im Unterschied zu Kleßmann auch nicht nötig, sich des herablassenden Tones zu bedienen, den Germanisten Autorinnen gegenüber manchmal noch anschlagen.

Titelbild

"Mein gnädigster Herr! Meine gütigste Korrespondentin!". Fanny Lewalds Briefwechsel mit Carl Alexander von Sachsen-Weimar 1848-1889. Mit einer Einführung von Eckart Kleßmann, Anmerkungen von Rudolf Göhler.
Verlag Hermann Böhlaus Nachf. Weimar, weimar 2000.
460 Seiten, 29,70 EUR.
ISBN-10: 3740011122

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