Das Gesicht des 20. Jahrhunderts

Die Hollywood-Filmdiva Marlene Dietrich in Biographien

Von Antje EfkesRSS-Newsfeed neuer Artikel von Antje Efkes

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am 27. Dezember diesen Jahres wäre Marlene Dietrich 100 Jahre alt geworden. Anlass für zahlreiche Verlage, Bücher über das Leben der "schönsten Frau der Welt" zu veröffentlichen, dem Leinwandmythos des 20. Jahrhunderts.

Anhand von Filmkritiken, Zeitungsberichten, Interviews sowie Briefen und Erinnerungen von Zeitgenossen, Freunden und Kollegen, bebildert mit einer Auswahl von Fotografien, wird dem Leser von "apropos Marlene Dietrich" ein Bild der geheimnisvollen Schauspielerin und Sängerin vermittelt. Verknüpft und interpretiert werden diese Materialien lediglich durch einen vorangestellten Essay von Lars Jacob, der sich der sehr spannenden Überlegung widmet, Marlene Dietrich sei "Die letzte Preußin" gewesen und habe sich stets auf die Maximen ihres wilhelminischen Elternhauses berufen. Unbestreitbar viel Disziplin und Kraft - bis an den Rand der Erschöpfung - hat sich Marlene Dietrich bei Drehaufnahmen und öffentlichen Auftritten abverlangt. Lars Jacob zeichnet den Aufstieg der Dietrich parallel zum Abstieg Preußens nach und sieht sie als Repräsentantin dieser untergegangenen Epoche.

Unzweifelhaft ist Marlene der Inbegriff der modernen Frau: Durch ihr selbstbewusstes Auftreten, ihre legendären, extravaganten Hosenanzüge und ihre kunstvoll modellierte Schönheit hat Dietrich das Frauenbild des 20. Jahrhunderts wie kaum eine andere Darstellerin geprägt. Sie sei der "Inbegriff jenes Frauenidols geworden, das die Sinne des 20. Jahrhunderts zu entzünden vermag. Aber dies geschieht weniger mit den üblichen Mitteln einer mehr oder minder geschmackvollen Nudität, als mit einem Antlitz, das unvergeßlich ist, mit einer dunklen Stimme, die jedem bekannt ist und nebenbei - mit ein Paar Beinen, die bedenklich gut gewachsen sind", so Hermann Kadow bereits 1933. Sein Text "Madonna, Mutter, Maitresse" ist eine der Stimmen, die der Band versammelt. Eine weitere Quelle ist der Zeitzeugenbericht der Schauspielerin Louise Brooks über ihre erste Begegnung mit Marlene Dietrich in den USA. Ihr Bericht schließt mit den Worten: "Treue Verehrer behaupten immer noch, es hätte der Dietrich nichts Besseres zustoßen können als die Verwandlung in ein geschniegeltes Hollywood-Glamourgirl. Ich kann indessen den Blauen Engel nie sehen, ohne ein wenig zu weinen."

Marlene Dietrich selbst betonte bis zu ihrem Tod immer wieder, dass sie ohne ihren Regisseur Josef von Sternberg, der sie bis zur Künstlichkeit geformt und stilisiert hat, niemals so berühmt und erfolgreich geworden wäre. Helma Sanders-Brahms dokumentiert in ihrem Buch "Marlene und Jo. Recherche einer Leidenschaft" die langjährige Arbeitsbeziehung des "Schöpfers" und seines "Geschöpfs" bei sieben gemeinsamen Filmen. Sie bezeichnet diese gemeinsame Zeit als künstlerisch fruchtbarste und zugleich tragischste Liebesgeschichte. Sanders-Brahms stützt sich dabei unter anderem auf die Autobiographien ihrer beiden Protagonisten. Anhand dabei aufgezeichneter Widersprüche, den Interpretationen der Autorin wie auch konkreter Zeugnisse der Vermarktung des Kinostars Dietrich zeigt sich, durch welche Strategie Marlene Dietrich zu einem Mythos gemacht wurde und selbst zu ihrer 'Verschleierung' beitrug. Steven Bach, Autor der Biographie "Die Wahrheit über mich gehört mir" schreibt dazu bereits in seinem Vorwort: "Marlene Dietrich wußte, worum es bei einer Legende geht, und sie wollte die Welt nicht mit Tatsachen verwirren."

Neben der Zusammenstellung zahlreicher Privatgeschichten aus ihrem Leben mit Ehemann Rudolf Sieber und der gemeinsamen Tochter Maria sowie zahlreichen Filmpartnern, Freunden und Geliebten, darunter so berühmte Namen wie Emil Jannings, Gary Cooper, Erich Maria Remarque, Jean Gabin und Ernest Hemingway, gelingt es Helma Sanders-Brahms hervorragend, den Leser in den Bann der Filme zu ziehen, die Josef von Sternberg seinem Star Marlene Dietrich abverlangte. Sie zeichnet unter anderem von "Der Blaue Engel", "Marocco" und "Shanghai Express" ein Bild der Entstehungs- bis hin zur Erfolgsgeschichte, indem sie Hintergründe nennt, die Drehaufnahmen und Ereignisse auf dem Set beschreibt und auch von der Ausstattung und Requisite und den Problemen Sternbergs mit Schauspielern, Crew sowie Geld- und Auftraggebern berichtet.

Wenngleich ihre private Beziehung niemals zu der Liebesbeziehung wurde, die sich Josef von Sternberg erhofft hatte, so war ihm Marlenes uneingeschränkte Bewunderung sicher: "Du - nur Du - der Meister - der Gebende - Grund meines Daseins - der Lehrer - der Geliebte, dem mein Herz und mein Verstand folgen müssen."

Im Gegensatz zu dieser Lebensbeschreibung, die mit der beruflichen Trennung des Regisseurs und seines Stars endet und nur noch kurz von deren Beerdigungen berichtet, versucht Steven Bach, der in ihren letzten Lebensjahren mit Marlene Dietrich befreundet war, eine umfassende Biographie zu zeichnen. Er spannt einen Bogen von ihren Kindertagen über die Filmarbeiten und ihre zweite Karriere als Diseuse bis hin zu Marlene Dietrichs Lebensabend in Paris. Bach beschreibt unter anderem das letzte Interview mit Maximilian Schell im Jahr 1982 für die weltberühmte Fernsehdokumentation, in der man lediglich ihre Stimme hört, die Dietrich jedoch nicht zu Gesicht bekommt. Anmaßend ist bei seiner Art der Präsentation jedoch, den Anschein zu erwecken, immer überall dabei gewesen zu sein und die Gedanken der Zeitzeugen lesen zu können. Bereits die Ouvertüre, eine Beschreibung eines Theaterbesuchs Josef von Sternbergs im September 1929 in Berlin, erweckt den Eindruck, einen Roman vor sich zu haben und nimmt der Biographie einiges an Glaubwürdigkeit.

Vieles im Leben der Diva ist und bleibt Legende. Aus der Unmenge von Aspekten, Anekdoten und Rekonstruktionen der verschiedenen Biographien entsteht im Kopf des Lesers wiederum ein ganz eigenes Bild des Stars Marlene Dietrich - als eindeutige, unverfälschbare Zeugnisse sind uns die kunstvollen und bezaubernden Bilder ihrer Filme erhalten geblieben, die Marlene Dietrich, eine außergewöhnliche Frau, unsterblich machen.

Titelbild

Steven Bach: "Die Wahrheit über mich gehört mir". Marlene Dietrich.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Christine Strük, Ursula Wulfekamp und Adelheid Zöfel.
List Verlag, München 2000.
576 Seiten, 8,60 EUR.
ISBN-10: 3612650521

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

apropos Marlene Dietrich. Mit einem Essay von Lars Jacob.
Verlag Neue Kritik, Frankfurt a. M. 2000.
140 Seiten, 12,80 EUR.
ISBN-10: 3801503429

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Helma Sanders-Brahms: Marlene und Jo. Recherche einer Leidenschaft.
Argon Verlag, Berlin 2000.
290 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3870245336

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