Borges is back
Warum James Woodalls Borges-Biografie eine Karikatur ihrer selbst ist
Von Christian Rausch
Jorge Luis Borges schrieb einst: "Ich verdanke der Konjunktion eines Spiegels und einer Enzyklopädie die Entdeckung Uqbars." Dies ist der erste Satz seiner Erzählung "Tlön, Uqbar, Orbis Tertius". Ganz ähnlich muss auch Woodalls Biografie "Der Mann im Spiegel seiner Bücher" entstanden sein.
Woodalls Buch liest sich wie ein wissenschaftlicher Lexikon-Artikel über mehr als 300 Seiten. Er referiert über Namen, Daten, Orte. Sein Text erscheint fragmentarisch und blutleer, vielleicht wegen der Vermeidung jeglicher Narration, genauso parodierte Borges wissenschaftliche Abhandlungen, die er oft von Absurdem handeln ließ. Es scheint fast, als parodiere Borges sich hier selbst.
Woodall wird seinem Ziel, Borges als "Spiegel seiner Bücher" zu zeigen, nicht gerecht. Im Gegenteil: er kann nur veranschaulichen, wie Borges' Werke von dessen Kontakten und seiner Literatur geprägt werden. Eine psychologische Betrachtung des Dichters geschieht nur ansatzweise und bleibt spekulativ und willkürlich, wie schon die unverständliche Unterteilung des Buches in psychologische Topoi zeigt. Auch die Fokussierung auf Borges' Sexual-Phobien kann das literarische Feld nicht bestellen.
María Kodama, Borges' Witwe, konnte dieser Biografie ihren Segen nicht geben, wie Woodall freimütig gesteht. Ehrbar für ihn, dies nicht zu verschweigen.
Die Qualität dieser Arbeit liegt im Aufzeigen der literarischen Einflüsse Borges'. Dabei gelingt es auch, den Autor ohne ideologische Vereinnahmung darzustellen, als Individuum in einer Zeit der Massenphänomene.
Nur eines musste nicht sein: aus der handwerklich soliden und gut recherchierten Darstellung Borges' alle Lebendigkeit auszutreiben. Wie lautet doch der letzte Satz des Buches: "Jorge Luis Borges wäre erstaunt gewesen."