Wie jemand versucht, glücklich zu werden

Sabine Zurmühls Maxie Wander-Biographie

Von Anke HeimbergRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anke Heimberg

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Eigentlich habe ich in meinem Leben nie richtig Zeit gehabt,

in mich hineinzuhorchen, was ich will."

Maxie Wander

Von riesigen Werbeplakaten blickte sie den BesucherInnen der Leipziger Buchmesse mit fragenden, ein wenig neugierigen Augen entgegen: Maxie Wander. Autorin, Fotografin, Journalistin - in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen bekannt und vor allem von den Frauen bis heute bewundert und verehrt. Keine Frage also, dass der Berliner Henschel-Verlag die "erste Biographie" über die DDR-Autorin Maxie Wander zum Spitzentitel seines Frühjahrsprogramms machte und - insbesondere - in den einschlägigen Frauenzeitschriften von "Brigitte" bis "Emma" bewarb.

Aufsehen erregte Maxie Wander Ende der 70er Jahre mit ihrem Reportageband "Guten Morgen, du Schöne", der auf der Basis von Tonbandinterviews den Alltag von siebzehn Frauen in der DDR dokumentiert. Das Buch, das sich am neuen Genre der Dokumentationsliteratur im Stile von Sarah Kirschs "Pantherfrau" (1973) orientiert, wurde ein Sensationserfolg: von der 1977 im DDR-Verlag "Der Morgen" erschienenen Ausgabe verkauften in ersten Jahr 60.000 Exemplare, in jedem Schaufenster lag Maxie Wanders Buch. Viele Theater spielten ihre Texte. Auch die Westausgabe bei Luchterhand, 1978 erschienen, wurde ein großer Erfolg, erreichte schnell mehrere Auflagen und wurde in den Feuilletons der großen Zeitungen ausführlich besprochen. Maxie Wanders Frauenprotokolle fanden vor allem unter den Leserinnen - egal ob aus Ost oder West - große Zustimmung, die sich offensichtlich in den Darstellungen der Interviewten, welche offen über ihre inneren Befindlichkeiten berichten, wiederfanden. "Fast jedes der Gespräche weist durch Sehnsucht, Forderung, Lebensanspruch über sich hinaus, und gemeinsam - wenn man das Buch als Zusammenkunft verschiedenster, im Wichtigsten einiger Menschen sieht - geben sie ein Vorgefühl von einer Gemeinschaft, deren Gesetze, Anteilnahme, Selbstachtung, Vertrauen und Freundlichkeit wären. Merkmale von Schwesterlichkeit". Vielleicht waren es jene Anflüge einer feministischen Utopie, wie sie Christa Wolf im Vorwort zur Westausgabe beschreibt, von denen sich die Frauen angezogen fühlten. Die Dutzende Briefe, die sie ihr fortan schrieben, erreichten sie nicht mehr: Im Alter von 44 Jahren starb Maxie Wander am 20. November 1977 an Krebs. Ihr Mann Fred Wander veröffentlichte mit "Leben wär' eine prima Alternative" und "Ein Leben ist nicht genug" Anfang der achtziger Jahre posthum ihre Tagebuchaufzeichnungen und Briefe der letzten Lebensjahre; ein Stück anrührender, mitunter selbstironischer, auch aufrüttelnder Literatur, die Maxie Wander endgültig zur Ikone machte. Kein leichtes Unterfangen also, das Leben der Maxie Wander zu beschreiben, wie Sabine Zurmühl im Nachwort zur Biographie gerne zugibt. Belastet zusätzlich durch die Tatsache, dass Zurmühl, die von 1976 bis 1984 Geschäftsführerin und Kulturredakteurin der Frauenzeitschrift "Courage" war, genau eine jener "Schwestern" aus dem Westen ist, mit deren "Feministinnen-Rummel" die DDR-Autorin zu Lebzeiten auf keinen Fall in Zusammenhang gebracht werden wollte. Kann so eine das dann überhaupt? - Sie kann, schafft eine dichte, eindringliche Beschreibung dieser ungewöhnlichen Frau und liefert im Nachwort gleich selbst die einfache, aber treffende Leseanleitung zu ihrem Buch, wenn sie schreibt: "Die Biografie der Maxie Wander handelt davon, wie jemand versucht, glücklich zu werden. Und welche Stolpersteine der äußeren und inneren Art diesem Ziel entgegenstanden."

Maxie (eigentlich Elfriede "Fritzi") Wander wird am 3. Januar 1933 im "roten Wien" geboren, dort wächst sie in Hernals, einem typischen Wiener Arbeiterbezirk auf. Die Eltern Alois und Käthe Brunner, beide stolze Arbeiter und zeitlebens überzeugte Mitglieder der KPÖ, erziehen Maxie und ihren um sieben Jahre jüngeren Bruder Herbert im Geiste der kommunistischen Partei - auch dann noch, als Österreich seit März 1938 längst "angeschlossen" und die KP verboten ist: Schwierig für ein Kind, das bereits im Grundschulalter lernen muss, den Unterrichtsstoff der Nazi-Volksschule und die kommunistischen Ansichten des Elternhauses streng voneinander zu trennen, will es die Familie nicht gefährden. Das kleine Mädchen beginnt zu stottern - eine Reaktion auf die sie überfordernde Situation oder eine Möglichkeit für Fritzi-Maxie, die sich seit der Geburt des kleinen Bruders vernachlässigt fühlt, auf sich aufmerksam zu machen, wie die Biographin suggeriert? Auf jeden Fall ein Sprachfehler, der sie ihr ganzes Leben lang begleiten und ihr Selbstbewusstsein untergraben soll, der sie später in der DDR davon abhält, Lesungen zu halten oder im Rundfunk zu sprechen. Die Mittelschule beendet die junge Maxie Wander nicht, ebenso wie sie zuvor die Geigenausbildung abgebrochen hat - ein Muster, das prägend werden wird für ihr Leben: Sie wird viel anfangen, aber nur wenig wirklich zu Ende bringen. Zunächst aber findet sie Arbeit in einer Wiener Kartonagenfabrik, besucht einen Stenografiekurs, arbeitet als Kassiererin im "Neuen Theater" an der "Scala" und danach als Sekretärin im Wiener Friedensrat.

Über ihre Cousine Rosl Großmann, Chefredakteurin der "Stimme der Frau", der Frauenbeilage des KP-Parteiblatts "Volksstimme", lernt Maxie im Dezember 1952 den sechzehn Jahre älteren, verheirateten Fred Wander kennen. Fred Wander - eigentlich Fritz Rosenblatt - ist einer von Großmanns eifrigsten freien Mitarbeitern, überzeugter Kommunist, Jude. Vier Jahre später heiratet Maxie Wander "Fred, die Sonne", stellt ihm im gemeinsamen Zusammenleben fortan ihre Kraft, ihre Konzentration und ihre Zeit bedingungslos zur Verfügung.

Im März 1958, wenige Monate nach der Geburt ihrer Tochter Kathrin ("Kitty"), folgt sie ihrem Mann in die DDR, die dem aufstrebenden Schriftsteller offensichtlich mehr Interesse an seinen Werken entgegenbringt als sein Heimatland Österreich. Die DDR - das bedeutet für Fred Wander Anerkennung, Erfolg, Honorare, ein eigenes Haus, kurz: "ein Minimum an sozialer Sicherheit", da fällt die Entscheidung - bei aller sozialistischen Überzeugung und politischen Utopie - wohl beiden Wanders nicht schwer, wie Zurmühl plausibel herausarbeiten kann. Kleinmachnow heißt die neue Heimat: ein Dorf in der Mark Brandenburg, idyllisch gelegen, Künstlerkolonie, aber auch Grenzgebiet, d. h. immerwährende Präsenz von Stacheldraht, Schäferhunden, Grenztruppen. Hier wird Fred Wander Karriere als Schriftsteller machen, hier entstehen Reisebücher wie "Doppeltes Anlitz - Pariser Impressionen", aber vor allem sein autobiographisch geprägter Roman "Der siebente Brunnen", die literarische Verarbeitung seiner Häftlingszeit im KZ. Ehefrau Maxie unterstützt ihn bei allen seinen Vorhaben, tippt Freds Manuskripte, erledigt irgendwie die Hausarbeit, versorgt die drei Kinder Kitty, DDR-Heimkind Roberto ("Berti") sowie Sohn Daniel - und geht arbeiten: als Sekretärin im Geräte- und Reglerwerk in Teltow, als Bibliothekarin der DDR-Rundfunkschule, als Redakteurin der Jugendzeitung "Unsere Milchader", als freie Mitarbeiterin der "Märkischen Volksstimme" und als DEFA-Drehbuchautorin. "Sie wird die Nachvollziehende bleiben, lange Zeit, deren Liebe sich in der Unterstützung seiner Ideen zeigt", charakterisiert Sabine Zurmühl treffend die Beziehung der Eheleute Wander. Selten - obwohl das Bedürfnis immer größer wird - findet Maxie die Zeit, selbst zu schreiben, wird zerrieben zwischen dem Wunsch, "eine Schriftstellerin (zu) werde(n)", ihren Verpflichtungen als Ehefrau, Hausfrau und Mutter und den Erwartungen der Familie in Wien. Neben den immer häufiger auftretenden Streitereien um gute Schreibbedingungen zwischen den Eheleuten Wander, die in den Rangeleien um Kurzaufenthalte in den DDR-Schriftstellerheimen Petzow, Wiepersdorf, Ahrenshoop und Geltow manifest werden, beginnt Maxie angesichts der politischen Entwicklungen außerdem an ihrem Leben in der DDR, die sie zunehmend als "grauen Moloch" empfindet, zu zweifeln. Doch ihre im Umfeld des Elternhauses erworbenen politischen Ideale und Glaubenssätze, die existentiellen Grundlagen der Familie Wander, Pflegesohn und DDR-Bürger "Berti" und nicht zuletzt Maxies eigene künstlerische Pläne und Hoffnungen scheinen fix an ein Leben in der DDR gebunden, folgt man der Darstellung ihrer Biographin. Ob Maxie Wanders Ausbruchsphantasien, ihr - selten eingestandenes, auch vor sich selbst verleugnetes - Heimweh allerdings wirklich so weit gehen, dass sie sich real nach Wien zurückwünscht, kann Zurmühl nicht wirklich hinreichend belegen. Gelegenheit, das Land endgültig zu verlassen, hätten Maxie und Fred Wander als österreichisch-kommunistische Gäste im Gegensatz zu den BürgerInnen der DDR jedenfalls gehabt, wie ihre zahlreichen Aufenthalte bei der Familie in Wien oder Reisen ins Ausland, vor allem nach Frankreich, zeigen.

Maxie Wander beginnt sich - besonders nach dem für sie traumatischen Unfalltod der heißgeliebten Tochter Kitty (1968) - zu verändern. Neben Schwächeanfällen und Gleichgewichtsstörungen häufen sich vor allem ihre cholerischen Ausbrüche, die primär die beiden Söhne - auch körperlich - zu spüren bekommen. Ob es sich dabei um Reaktionen auf die sie erdrückenden Lebensverhältnisse oder um Vorboten des Gehirntumors handelt, lässt Sabine Zurmühl offen. Als Maxie einmal Sohn Berti mit der Axt hinterherläuft, beginnt sie mit einer Gruppentherapie. Die teils gewalttätigen Tobsuchtsanfälle, die vielleicht gerade frauenbewegte Leserinnen am meisten enttäuschen werden, gehören wohl zu den dunklen Flecken im Leben der Maxie Wander. Ebenso wie der, jedoch nicht ganz überzeugende, da auf unzureichender Aktenlage beruhende und daher spekulative Vorwurf ihrer Biographin, die Wanders wären möglicherweise im Auftrag der Partei als Spione tätig gewesen.

1975 dann endlich die Idee zum eignen Buch. Ein Frauenbuch, ein Buch über Frauen in der DDR. Maxie Wander ist erfüllt von ihrem Projekt; "es wird das erste sein, das wirklich ihr angehört". "Guten Morgen, du Schöne" wird sie es nennen, und es wird großen Erfolg haben. Vielleicht wäre dieses Buch nicht nur eine Art literarischer Befreiungsschlag für seine Leserinnen geworden, sondern auch für die Schriftstellerin Maxie Wander selbst, wenn auch Sabine Zurmühl am Ende kritisch anmerkt: "Indem sie den anderen Frauen zum Ausdruck verhilft, kann sie letztlich ihr eigenes Leben zum Ausdruck bringen, und kann sich - typisch - doch dahinter verstecken. Anderen zur Sprache verhelfen, andere ermutigen, wie sie selbst der Ermutigung bedurft hätte, die Zweite bleiben, die Geburtshelferin, die Frau im Hintergrund: Damit bleibt Maxie im Prinzip in der Rolle, die zu sprengen sie mit dem Buch angetreten ist."

Titelbild

Sabine Zurmühl: Das Leben, dieser Augenblick. Die Biographie der Maxie Wander.
Henschel Verlag, Berlin 2001.
319 Seiten, 20,40 EUR.
ISBN-10: 3894873779

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