Sonnensüchtig

Soti Triantafillous' Höllenfahrt in den "unterirdischen Himmel"

Von Judith HyamsRSS-Newsfeed neuer Artikel von Judith Hyams

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Harry und Helen Morrow, die auf dem Peleponnes Charalambos Moropoulos und Eleni hießen, sind 1953 nach Amerika ausgewandert, haben dreizehn Jahre später einen Sohn gezeugt, und jetzt ist Billy hier mit seinen zwanzig Jahren Amerikaner. Er hat die Welt und das Leben vor sich. Allerdings ist in seiner Stadt nicht viel los, und so vertreibt er sich die Zeit mit seinem Freund Tony. Sie hören Musik, trinken Bier, diskutieren über die neuesten Autotypen und hängen ihren Träumen nach - in den Westen zu gehen, nach Kalifornien: "weißt du, woran wir leiden?" fragt Tony, "an Sonnensucht - Sonnensucht!" Billy findet einen Job in einer Autowerkstatt und kauft sich seinen ersten Wagen, einen klapprigen Ford, den er zur feuerspeienden Höllenmaschine umfrisiert. Sie wird sein ganzer Stolz.

Frei ist er - und doch noch gefangen, verfolgt von den Standpauken seines Vaters, der ewig über die schlechten amerikanischen Sitten herzieht, aber selbst kein Vorbild mehr ist. "Amerikaner war er nicht geworden, Grieche war er nicht mehr, sein Haar wurde weiß, die Kräfte ließen nach, und am Ende erwartete ihn eine lausige Rente von der Lebensversicherung Johnson, Taylor and Sons und ein Sarg, der nach Griechenland geschickt werden würde, damit der Leichnam in heimatlicher Erde ruhte." Obwohl der Vater schon als Junge Lastwagenmotoren reparieren wollte und später jahrelang im Studebacker-Werk Wagen zusammenschraubte, besitzt er kein eigenes Auto, als einziger Mensch weit und breit, wie es Billy vorkommt. Die griechischen Feste, die Sprache, die ewigen Erzählungen sagen Billy nicht besonders zu, er liebt Jazz, Rennwagen, und er will endlich an den Pazifik.

Billy verliebt sich in Lucia. Ohne besonderen Anlass fahren sie in seiner Höllenmaschine Richtung Westen, quer durch Amerika, lieben sich in zugigen Motels, essen Pommes und Schokolade und geben sich dem Lauf ihres Schicksals hin. Sie leben den Traum, wie in einem ihrer Roadmovies, nur das es vielleicht etwas zu kalt ist, zu wenig Geld da ist und Lucia zu viel hustet. Die Welt der Eltern verschwindet, die ewigen Fragen nach Herkunft und Glaube, Sitte und Moral verblassen, übrig sind nur noch Billy und Lucia in ihrem Wagen, auf der Route 66 ins Unbekannte. Kurz vor Arcadia, East Pasadena, findet die Fahrt ihr Ende. Die Sonne Kalifoniens war schon fast aufgegangen, aber der Traum ist aus.

"Der unterirdische Himmel", ein so wunderschöner wie unendlich trauriger Roman, erschien in Griechenland 1998 und wurde dort zum Bestseller. Soti Triantafillou, die in Athen arbeitende Journalistin, Übersetzerin, Historikerin und Schriftstellerin, kennt das Land, in dem ihre Figuren das Arkadien suchen. Sie hat amerikanische Geschichte und Filmwissenschaft studiert, zeitweilig in New York. Wie nahe Himmel und Hölle liegen hier können, findet in dem paradoxen Romantitel ein dichtes Bild.

Titelbild

Soti Triantafillou: Der unterirdische Himmel. Roman.
Übersetzt aus dem Griechischen von Birgit Hildebrand.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2001.
300 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3552051759

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