Hörspiel des Monats April 1999

"Mephisto" von Klaus Mann.
Bearbeitung: Michael Farin.
Komposition und Regie: Klaus Buhlert.
Produktion: BR/MDR, ''78.

Begründung der Jury:

In seiner Umsetzung von Michael Farins Radio-Bearbeitung kleidet Klaus Buhlert den "Roman einer Karriere" in eine medien- und hörgerechte Ästhetik. Die Auswahl der Textpassagen, der ausgewogene Wechsel zwischen der kühlen, analytischen Erzählstimme Axel Milbergs und den Dialogsequenzen, vor allem aber Klaus Buhlerts pointierte Kompositionen, die Verfremdungen der Musik der dreißiger Jahre sowie die hervorragenden Sprecher fügen sich zu einem kontrastreichen, farbigen Akustik-Gemälde. Es gelingt dem Regisseur, die Klangfarbe der dreißiger Jahre mit der modernen Hörspielästhetik zu vereinen. Die wohldosierte Integration von Originalton-Sequenzen der Nazi-Machthaber markiert nicht nur die aus heutiger Perspektive lächerlichen Ansätze nationalsozialistischer Kulturpolitik, sondern auch die Widersprüchlichkeit der an den Schaltstellen handelnden Personen.

"Seid ihr alle da? - Ja!" - "Wollt ihr den totalen Sieg? - Ja!" In Anlehnung an die rhetorische Massenbeschwörung der Nazis und als Referenz auf die Puppenspiel-Tradition des Faust- und Mephisto-Stoffs versetzen Farin und Buhlert die Handlung mit Elementen des Marionettentheaters. Puppenstimmen, unterlegt von Klängen einer Spieluhrmechanik, kommentieren und intrigieren und flüstern sich hinein in die Gedanken des Karrieristen Höfgen (gesprochen von Ignaz Kirchner). Die Kultur- und Machtelite im nationalsozialistischen Deutschland erscheint so als grotesk-gefährliche Komödiantenschar.

Mit der gebotenen Distanz zum literarischen Text entwirft die genuine Hörspielfassung von Klaus Manns Roman "Mephisto" das schillernde Bild nicht nur Mephistos (alias Hendrik Höfgen alias Gustav Gründgens), sondern auch das einer Gesellschaft, die sich voller Lust dem Spiel vom Unterdrücken und Unterwerfen hingibt. "Mephisto" als Hörspiel setzt, mehr als drei Jahrzehnte nach dem Veröffentlichungsverbot, zwanzig Jahre nach der Film und- Theaterfassung (durch István Szábo beziehungsweise Ariane Mnouchkine) und zum 50. Todestag des Autors am 21. Mai einen weiteren starken Akzent in der Rezeptionsgeschichte von Klaus Manns Buch. Der komisch-ironische Gestus des Hörstücks setzt einen Trend in der aktuellen Aufarbeitung und Bewältigung der Nazi-Diktatur fort.

Nächste Sitzung der Jury: Freitag, 28. Mai, 10.30 Uhr

literaturkritik.de Redaktion