Was am Ende bleibt

Das Psychogramm einer Ehe als Hörspiel umgesetzt

Von Kerstin HäringRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kerstin Häring

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

New York in den 60er Jahren: drei Tage im Leben des Ehepaars Bentwood, beide Anfang 40, kinderlos und der gehobenen Mittelschicht angehörend, begleitet der Hörer durch drei Tage ihres Lebens. Erzählt wird die Geschichte fast ausschließlich aus der Perspektive der Protagonistin. Der scheinbar belanglose Biss durch eine streunende Katze verändert Sophie. Sie beginnt, über sich und ihr Leben nachzudenken.

Die anfängliche Geheimhaltung ihrer Verletzung vor ihrem Mann Otto macht ihr Verhältnis zueinander deutlich. Sie sind seit fünfzehn Jahren miteinander verheiratet und leben nebeneinander her, ohne ihren außerehelichen Alltag zu teilen.

Otto trennt sich von seinem langjährigen Freund und Geschäftspartner; mit Sophie spricht er über seine Gefühle nicht. Sophie fürchtet, sich durch den Biss der Katze mit Tollwut infiziert zu haben; auch sie teilt ihre Befürchtungen nicht mit ihrem Partner. Die auf den Biss der Katze folgenden Missgeschicke sind keine dramatischen Ausbrüche, vielmehr offenbaren sie eine permanente Krise der Protagonisten. Alle Figuren des Hörspiels scheinen infiziert mit der stillen Aggressivität, die Tollwut mit sich bringt.

Sophies Verletzung lässt scheinbar längst vergangene Gefühle und Erlebnisse in ihr wieder aufkeimen, wie zum Beispiel ihre fünf Jahre zurückliegende Affäre. Sophie wird bewusst, dass ihre Familie aussterben wird, sie hat keine Verwandten und keine Kinder. Unerwartet bekommt sie Sehnsucht nach ihrer Mutter, die sie seit längerem nicht mehr gesehen oder gesprochen hat.

So beschließen Otto und Sophie, in ihr Landhaus zu fahren. Doch auch diese Flucht vor dem Alltag verdeutlicht die Ausweglosigkeit ihres Lebens. Vandalen sind ins Landhaus eingebrochen und haben das Inventar ist zerstört. Wie ihre Seelen liegen die Matratzen aufgeschnitten und aufgewühlt da. Sophie, die ihren Beruf der Drehbuchautorin und Übersetzerin aus Antriebslosigkeit nicht mehr ausführt, ist apathisch. Sie wird sich ihres Lebens bewusst, ohne eingreifen und verändern zu können. Durch ihre Apathie wird um so deutlicher, dass sich Sophie zurücksehnt zu der Leidenschaft ihrer Affäre.

Auch die verkrampfte Suche nach Kontakt zu Jugendlichen auf einer Party zeigt, dass sie aus ihrem Leben ausbrechen will. Ihre plötzlich auftretenden Energieschübe sind jedoch nie von langer Dauer. Sie fällt immer wieder zurück in ihr dumpfes, träges Leben.

Nur wenige Passagen des Hörspiels drücken Hoffnung aus, wie etwa die rot leuchtende Farbe des Himmels an einem Morgen. Otto und Sophie, die sich ständig gegenseitig verletzen und es dann im nächsten Moment schon wieder bereuen, leben in einer Art Gefängnis, das sie nicht selbst verursacht haben. Vielmehr sind sie durch den Alltag ihrer Ehe immer tiefer hineingeraten, ohne sich ihrer Situation bewusst zu werden.

Die kühle Sprache der Autorin wird umgesetzt durch die klare, ruhige Stimme der Sprecherin Leslie Malton. Schon zu Beginn ahnt der Hörer, dass die Motivation der Figuren ungesagt bleibt. Tod, Blut und Trägheit sind wiederkehrende Motive der Geschichte. Die knappe Sprache verdeutlicht die Hoffnungslosigkeit. Sophie selbst spricht mehrmals von "stiller Verzweiflung".

Paula Fox schildert in ihrem Roman den Pessimismus einer Generation, im Verborgenen bleibt. Alle Figuren leben, ohne gelebt zu haben. Die Angst vor dem Unbekannten zieht sich durch das gesamte Stück, doch ungeklärt bleibt, warum die Protagonisten nicht wenigstens versuchen, aus ihrer verzweifelten Lage auszubrechen.

Paula Fox versucht mit ihrer klaren, knappen Sprache, die eher beschreibt als erzählt, die Untätigkeit der Protagonisten zu erklären. Doch als Hörer fragt man sich, was denn nun eigentlich das Tragische im Leben von Sophie und Otto ist.

Diese Frage kann vermutlich nicht geklärt werden. Ob die Autorin dies zu klären versucht, bleibt unklar. Doch der Versuch, die Ausweglosigkeit zu schildern, gelingt nicht. Das Unwohlsein der Figuren, das sich im Laufe der Handlung deutlich steigert, ist zwar deutlich spürbar, aber die Gefühlswelt bleibt vage und undeutlich.

Vielleicht ist dieses Hörspiel für eine Generation bestimmt, die diese Perspektivlosigkeit in ihrem Leben kennt. Vielleicht muss der Hörer auch schon längere Zeit verheiratet sein, um den geschilderten Pessimismus verstehen und nachvollziehen zu können.

Die Umsetzung des Romans als Hörspiel ist gut gelungen, die Autorin will wohl so kühl verstanden werden, wie die Sprecherin Leslie Malton den Roman vorträgt. Die Atmosphäre des Buches bleibt auch als Hörspiel erhalten. Doch nach dem Hören des Stückes bleibt ein seltsames Gefühl. Das Hörspiel ist unterhaltend, doch die Beweggründe der Figuren bleiben unverstanden. Man muss das Buch lieben, um das Hörspiel zu mögen.

Titelbild

Paula Fox: Was am Ende bleibt. Lesung mit Leslie Malton. 4 MC.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2001.
30,60 EUR.
ISBN-10: 3455302718

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