Wortwurzelwidriger Wirrwarrwald

Uwe Dick forstet seine "Sauwaldprosa" auf

Von Torsten GellnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Gellner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Uwe Dicks Lieblingsthema: die deutsche Sprache und ihre Verhunzung. In unserer "Legasthenokratie" hat sie ihre Würde verloren. Es wird zwar fleißig Text produziert, aber das Schreiben beherrscht keiner mehr so recht. Am wenigsten noch die "Journullisten", denn die haben obendrein sogar das Denken aufgegeben. Das ärgert Uwe Dick sehr. So sehr, dass er inmitten seiner wuchtigsten, richtigsten und notwendigsten Klartextreden über den staatlich und medial subventionierten Bildungsnotstand (alles geschrieben, wohlgemerkt, in der Prä-PISA-Ära) immer wieder in die alte "Pfuilleton"-Schelte verfällt und sich über die germanistischen "Bildungseunuchen" mokiert.

Allein scheinen seine Abrechnungen nicht ganz uneigennützig. Dienen sie ihm doch in erster Linie dazu, sein zweitliebstes Thema anzuschneiden: Uwe Dick. Der "poetische[...] Freibeuter" betreibt in seiner "Sauwaldprosa", die in vierter Fortschreibung im Residenz Verlag erschienenen ist, ausgiebigst die hohe Kunst der Selbstinszenierung. Als Streiter gegen verbale Schludrigkeit und debiles Analphabetentum wähnt sich Uwe Dick nämlich allein an weiter Front. Literarische Kompetenz, das ist klar, findet sich konzentriert auf Dicks Seite und so wird der Autor nicht müde, stetig auf die eigenen Werke hinzuweisen, die wahre Erkenntnis bieten mögen und doch von der "Halbkennerei" des deutschen Rezensionsbeamtentums beflissentlich ignoriert werden. Dicks permanente Selbstreflexion führt sogar soweit, dass er prophetisch Doktorarbeiten des germanistischen Nachwuchses imaginiert, die freilich nur eines zum Thema haben können: Uwe Dick.

Es mag dann Teil einer besonders hinterlistigen Dick'schen Dialektik sein, wenn ausgerechnet ein wohlwollendes Zitat der "Süddeutschen Zeitung" den Klappentext ziert, wo diese doch im Buch selbst permanent ihr Fett weg kriegt: "Wer im Rinnstein liegt, hat bereits die Gully-Perspektive. Das SZ-Feuilleton, weltlos und borniert, ist so verkommen, wie die Gehirne der Leser, die's nicht merken." Uwe Dicks Leser der "Sauwaldprosa" haben's dagegen längst begriffen: Nur dahinter steckt immer ein kluger Kopf.

Uwe Dicks Outlaw-Attitüde kann gehörig auf die Nerven gehen. Aber mit Verlaub: er kann es sich leisten. Denn in der Tat steht das, was er an sprachlicher und gedanklicher Vitalität darzubieten hat, gegenwärtig ziemlich konkurrenzlos da. Im Vergleich zur Prosa des 1943 geborenen Maulartisten wirkt die junge deutsche Literatur geradezu apathisch, verschüchtert, mausgrau und mauerblümelnd. Mit gerechtem, aber auch ungerechtem Zorn zieht Dick vom Leder, was das Zeug hält und bedient sich dabei einem scheinbar unerschöpflichen Vorrat an famosen Wortschöpfungen, Assoziationen und Aphorismen. Sein "wortwurzelwidriger Wirrwarrwald" kann daher nur vom geistig beweglichen Leser durchschritten werden, eine Wanderkarte ist nicht vonnöten, das Verirren ist erwünscht. Die "Sauwaldprosa" birgt eine literarisch enorm vielfältige und gedanklich recht sprunghaft organisierte Zeitdiagnose, frei nach dem Motto: "Wer nichts weiß, kann auch nichts assoziieren". So wenig systematisch ein solches als work in progress entstandenes Sammelsurium sein kann, so wenig systematisch sollte sich der Leser diesem Werk nähern.

Uwe Dick ist besessen von dem Wunsch, ein ganz und gar unmögliches Buch zu schreiben, das niemand lesen will. Zumindest bei diesem Buch ist ihm sein Vorhaben nicht geglückt. Aber vielleicht kann ja die Preispolitik des Residenz Verlags hier unterstützend wirken. Denn der Eintritt in den Sauwald wird erst nach der Entrichtung von deftigen 42 Euro gewährt.

Titelbild

Uwe Dick: Sauwaldprosa.
Residenz Verlag, Salzburg 2001.
587 Seiten, 42,00 EUR.
ISBN-10: 3701712409

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch