Stört nicht

Valerie Wilson Wesleys "Es wird alles anders bleiben" ist eine äußerst gewöhnliche Geschichte

Von Julia DombrowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Dombrowski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Manche Romane tun wirklich keinem weh. Dass es sie gibt, ist niemandem ein Dorn im Auge, keiner muss sich ärgern oder sich gar verletzt fühlen. Es gibt allerdings auch Bücher, in denen wird ein Schwarzer "Nigger" genannt. Das ist nun wirklich nicht schön, weder p. c. noch o. k., schon gar nicht lustig. Wenn es nun eine schwarze Schriftstellerin ist, die ihrer Romanfigur derlei Unschönes in den Mund legt - wohl bemerkt, ihrer schwarzen Romanfigur - dann könnte das ein Versuch sein, einem kleinen braven Büchlein, das wirklich, also wirklich keinem weh tut, ein bisschen Pfeffer zu geben.

Später dazu mehr, vorerst ein paar Worte zum Inhalt: Schwarze Rechtsanwaltsfrau der Upper Class wird von Ehemann verlassen, sitzt in ihrem großen, leeren Haus, in dem die Vorhänge wahrscheinlich haargenau auf die Farbe der Lampenschirme abgestimmt sind. Nimmt ihr Leben in die Hand, wird berufstätig, sucht sich einen Liebhaber im Alter ihres Sohnes, ruft dadurch Empörung hervor, findet sich auf diese Weise aber nun einmal selbst. Am Schluss ist die gute Frau dann selbstständig, weiß, was sie kann und will und verdient ihr eigenes Geld. Man sollte ja eigentlich nie das Ende eines Buches verraten, aber hier nimmt man nicht allzu viel vorweg, denn wie könnte es anders sein: Der reuige Ehemann fällt auf die Knie, sogar im öffentlichen Raum, und bittet um Wiederaufnahme. Die frisch gebackene Power-Karrierefrau, die sich ja gerade eben selbst gefunden hat, verzeiht lächelnd. Wer hätte das gedacht!

Zurück zum "Nigger". Wenn der schwarze Erfolgsanwalt so seinen Kumpel nennt, seines Zeichens schwarzer Erfolgsanwalt Nr. 2, mag das ja irgendwie locker wirken sollen. Aber um es ganz schlicht zu formulieren: Ghettosprache wirkt nicht authentisch in einem Geschichtchen, dass das Aufbegehren einer gelangweilten, wohlhabenden Hausfrau illustrieren soll, sondern komplett fehl am Platz. Dass der untreue Ehemann auf seiner Reise zur Einsicht erkennen muss, dass seine homophoben Attitüden überdacht werden sollten, weil der eigene Sohn sich als schwul outet, verfehlt ebenfalls die beabsichtigte Wirkung des Romänchens, diese begehrte Authenzität. Letztlich wirkt es wie der Zwang zum Eingeständnis, dass die Welt wohl doch nicht schöner wird allein durch Duftperlen in der Staubsaugerdüse oder streifenlos wirksame Fensterputzmittel. Damit, dass in dieser Welt der Backwettbewerbe ein Wort wie "schwul" laut ausgesprochen wird, scheint sich der kleine, harmlose Kosmos dieses Buches eine Weltoffenheit zusprechen zu wollen, die er einfach nicht hat.

Es muss noch ein drittes Mal laut betont werden, dass das Buch aber wirklich keinem weh tut. Deshalb darf man auch auf keinen Fall darüber schimpfen. Es erzählt eine Geschichte, die bereits eine Myriade mal erzählt worden ist, die wirklich jeder dahergelaufene Privatsender bereits mit haarsträubendsten Untertiteln verfilmt hat, aber das haben ja schließlich auch andere schon nicht besser gemacht. Das Buch vergreift sich dabei ein wenig im Ton, weil es locker wirken will und stattdessen ein bisschen peinlich ist. Harmlos ist es und vielleicht eine Spur langweilig. Aber das ist ja schließlich kein Verbrechen.

Titelbild

Valerie Wilson Wesley: Es wird alles anders bleiben. Roman.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Gertraude Krüger.
Diogenes Verlag, Zürich 2001.
420 Seiten, 21,90 EUR.
ISBN-10: 3257062907

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