Wortfeldmetaphorik und großes Kino

Albert Ostermaiers Gedichtband "Heartcore"

Von Alexander MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Alexander Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Albert Ostermaier, 1967 geboren, ist vor allem durch seine Theaterstücke bekannt geworden, die etwa am Münchner Residenztheater oder dem Nationaltheater Mannheim, wo er in der Spielzeit 1996/97 Hausautor war, Premiere feiern durften. In seinen Stücken beschäftigte er sich unter anderem mit Bertolt Brecht und Ernst Toller, die wohl als seine Vorbilder zwischen Expressionismus und Moderne auszumachen sind. Er kann sicher zu den wenigen jungen Dramatikern gerechnet werden, die ihren eigenen Theaterton etabliert haben. Helmut Krausser charakterisierte diesen in einem Vorwort wie folgt: "Sein hervorstechendstes Stilmittel ist der Sermon, der leidenschaftliche Redefluß des Wanderpredigers. Einmal in Gang gesetzt, findet seine Sprache von ganz alleine ihren Weg durch die Wüste."

In der Lyrik Ostermaiers findet sich dieser Sermon ebenfalls wieder, jedoch funktioniert die Übertragung hier weniger. Die Texte verstehen sich unter Hinweis auf die beiliegende CD als "lyrische Szenen", was die Herkunft der Bühne verrät. Wie schon in "HerzVersSagen" von 1995 und "fremdkörper hautnah" von 1997 erscheinen Ostermaiers Gedichte formlos, zuweilen beliebig, dem Kitsch oft verdächtig nahe. Dass sie in geändertem Druckbild ohne weiteres als Prosa funktionierten, belegt nicht nur die CD, auf der u. a. Sylvester Groth und Anna Thalbach die Poesie intonieren, meist in einem eigentümlichen Rhythmus, aber ohne auf die Verssetzung zu achten. Hinzu kommt, dass Sprachspiele - die doch sehr simple Anspielung im Titel "Heartcore" bringt es zum Ausdruck -, ganz zu schweigen von eventuell sprachkritischem Schreiben, die begrenzte Metaphorik nicht wettmachen können. Da Formenvielfalt Ostermaiers Sache nicht ist, hätte man zumindest auf die Bildlichkeit der Sprache oder das Experiment setzten können. Doch außer der meist vorhersehbaren Wortfeldmetaphorik finden sich nur wenige gelungene Verse. Wenn in "brennstoff" die Anrede bereits den kleinen "Hitzkopf" nennt, ahnt man, wie es weitergehen wird: "heissreden", "mich lässt das völlig kalt", "feuert mich an", "flammende worte", "bis es funkt", um nur einen Einblick zu geben. In "an vorderster front" wird es mit "bombenstimmung", den "waffen einer frau" und den "kampftrinkern" dann aber wirklich albern.

Mit Sujet und Ausdruck der Texte verhält es sich teilweise ähnlich. Neben Hommagen an Brecht oder verstreuten Referenzen an die Popkultur geht es um große Sehnsüchte, große Gefühle und das dazugehörige Kino. In "the motel chronicles" schauen wir durch den Spiegel zu, "wie der mond / sich auf der kühlerhaube / sonnt & wartet dass / ein truck vorbeizieht & / ihn mitnimmt". Die Lesung auf der CD weiß sogar davon zu berichten, wo es hingehen soll: "zum horizont" wird dem Abschlussvers noch hinzugefügt, und die Zigarettenreklame ist beinahe komplett. The river runs free across this land. Darüber hinaus bietet die CD wenig Zugewinn. Die Texte werden szenisch gelesen, manchmal miteinander verbunden bzw. ineinander montiert und von Techno, Drum & Bass und Ambient-Pop gefällig begleitet. Insgesamt wurde die Musik kurzweilig arrangiert. Das eine oder andere musikalische Thema verleiht dem Hörstück eine äußere Struktur, die die Texte allein kaum hergeben könnten. Die Aneinanderreihung der Textpassagen macht es schließlich aber doch eher beliebig, anders etwa als Ostermaiers originäres Hörspiel "Radio Noir". Letzteres sei hiermit empfohlen, der Theaterbesuch ans Herz gelegt, die Gedichtlektüre nicht.

Titelbild

Albert Ostermaier: Heartcore. Gedichte.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
125 Seiten, 20,80 EUR.
ISBN-10: 3518410598

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