Ohne dass Liebe mich stört

Candida Clark spielt "Ein raffiniertes Spiel"

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Junge trifft Mädchen. Oder besser: Mann trifft Frau. In einem Zug von London nach Paris. Soweit ganz einfach. Doch Mann ist Schriftsteller, der Mitfahrern auf der Reise ihre Lebensgeschichten aus dem Leib saugt, um sie zu verarbeiten und schließlich als neue Geschichten in seine Bücher zu gießen. "Aber durch seine eigene verzerrende Sicht gequetscht und wieder ausgekotzt. Allerdings als seine eigene, ganz besondere Kotze-Mischung, damit niemand irgendeinen Einfluss darauf hatte." Und Frau ist scheinbar neues Opfer. Ein Opfer jedoch, das den Spieß umdreht. "Erzählen Sie mir doch zuerst etwas über sich", sagt es. Und verlangt etwas zu hören, über das sein Gegenüber lieber nicht schreiben würde. "Etwas, das für Worte zu schrecklich ist." Und so erzählt er, um Frau ins Bett zu bekommen. Oder zumindest ins Zugklo. Was auch gelingt.

In Paris dann noch ein Essen. Frau verschwindet. Taucht dann jedoch wieder auf. Und mit ihr im Leser unter anderem die Frage, wer sie eigentlich ist. Und wer während dieser Zugfahrt gelogen oder zumindest die Wahrheit kreativ ausgelegt hat und wer nicht. Ein paar Antworten auf drängende Fragen erhält man im zweiten Teil des Buches. Einige gar nicht.

"Ein raffiniertes Spiel" ist ein kompliziertes Spiel mit Perspektiven, mit Wahrheit und Lüge und mit Fragen nach Schuld, nach dem Recht auf Eifersucht, nach der Richtigkeit von Annahmen und der Realitätsnähe von Erinnerungen. Vieles ist nicht so, wie es scheint und einiges gewinnt erst Klarheit, wenn man es im zweiten Teil des Romans durch (vermeintlich) andere Augen sieht. Ein Buch also, das beim zweiten Lesen durchaus gewinnt. Andeutungen werden klarer, Ahnungen zu Gewissheit. Auch nach der zweiten Lektüre muss der Leser jedoch Stellung nehmen, wenn er das Chaos ordnen will - wem glaubt er? Und wer hat nur gespielt?

Der Roman ist auch eine Geschichte, die von einer tiefen Liebe erzählt, in der die Partner sich gegenseitig eben so sehr hassen wie lieben, sich eben so sehr wünschen, frei zu sein wie sie ihr Aneinander-angekettet-sein brauchen. Eine Beziehung, in der einer den anderen geradezu innerlich aushöhlt, ihm das Leben aussaugt, ohne etwas zurückzugeben.

Die sexuelle Spannung zwischen den Protagonisten ist groß. Trotzdem wurde "Ein raffiniertes Spiel" für den "Bad Sex in Fiction Award" nominiert. Zu Recht. Die im Buch verstreuten Sexszenen, in denen Menschen zusammenpassen "wie eine gut geölte Vögelmaschine" und sich Blicke ineinander bohren, "als steckten vier Augäpfel auf zwei parallelen Drähten", sind wenig sinnlich oder erotisch. Was ob der geschilderten Leidenschaft seltsam anmutet. Vielleicht auch das ein Hinweis auf die emotionale Kälte des Paares. Vielleicht aber auch bloß ein Zeichen dafür, dass entweder der Schriftsteller im Text, der zumindest den ersten Teil der Geschichte erzählt (und vielleicht auch hinter dem zweiten steckt), oder die Autorin selbst kein glückliches Händchen bei der Wahl ihrer Vergleiche haben.

Überhaupt Vergleiche: "Ihr Kopf nickt leicht wie eine zerbrechliche Blume im Wind"; "ihre Augen sind unergründlich wie schwarze Brunnen"; die Protagonisten sind wie "zwei rasende Satelliten auf unterschiedlichen Flugbahnen". Nichts ist einfach nur, alles ist wie und jeder tut Dinge, als tue er etwas anderes. In dieser Gehäuftheit wirken die Bilder hilflos und auf den Leser ermüdend - und das doch eigentlich so raffiniert aufgebaute Spiel schnell schwerfällig und grob.

Titelbild

Candida Clark: Ein raffiniertes Spiel. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Barbara Christ.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2002.
255 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3455008631

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