Mehr Stolz und noch mehr Vorurteil

Joan Aiken wandelt in dem Roman "Der Schmuck der Lady Catherine" auf den Pfaden von Jane Austen

Von Anette MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anette Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die hoffnungslos versnobte Lady Catherine de Bourgh führt mit ihrer noch ungebundenen Tochter Anne ein an Ablenkung armes Leben auf dem herrschaftlichen Landgut Rosings Park. Mit der Ruhe ist es in Joan Aikens Roman "Der Schmuck der Lady Catherine" jedoch vorbei, als die Geschwister Ralph und Priscilla Delaval nach einem Kutschunfall Zuflucht bei der Lady suchen, die ihnen diese widerwillig gewährt. Mit allerlei Geschick und Schmeichelei erschleichen sich die Geschwister zunächst das Vertrauen der hochnäsigen Catherine, während die ansonsten fügsame Anne die Gesellschaft der beiden vermeidet. Mit der Ankunft von Lady Catherines seltsamen Bruder Lord Luke Sherbrine und ihrem Neffen Fitzwilliam, der Anne als Ehemann versprochen ist - eine Verbindung, an der beide kein großes Interesse haben -, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Lady Catherine lässt sich von Ralph zur Umgestaltung ihres Gartens und zum Abriss des Cottages, in dem zwei Maler leben, überreden, was fatale Folgen für die beiden Künstler hat. Unterdessen beginnt Anne, sich von der Bevormundung durch ihre Mutter zu befreien, indem sie eine Freundschaft mit den Malern und dem Gärtner Joss knüpft. Lord Luke begibt sich unterdessen auf die Suche nach verlorengegangenen Papieren, Fitzwilliam stellt der bürgerlichen Schwägerin des Pfarrers nach und Priscilla versucht, Fitzwilliam für sich zu gewinnen, während Ralph sich des Schmucks der Lady bemächtigen will. Als Lady Catherine an das Sterbebett ihrer Schwägerin eilt, um sie zu einer Änderung ihres Testaments zu bewegen, und die illustre Schar auf dem Landgut sich selbst überlässt, werden schließlich alle Konventionen über Bord geworfen.

Joan Aiken hat eine amüsante und gelungene Fortsetzung von Jane Austens Roman "Stolz und Vorurteil" geschrieben, der seinem Vorläufer in nichts nachsteht. Trotz des vertrauten Milieus gelingt es Aiken, den Spannungsbogen weit zu spannen - Lady Catherine wird auf dem Weg zu ihrer Schwägerin unter mysteriösen Umständen entführt. Dass die feine Gesellschaft also gar nicht so fein ist, versteht sich dabei von selbst.

Aiken wandelt nicht nur thematisch, sondern auch stilistisch auf den Spuren Austens und bedient sich der bekannten Austen-Methode, um die Zeit zu raffen: Sie lässt die Schwägerin des Pfarrers Briefe an eine Freundin in London schreiben, in denen sie das zwischenzeitliche Geschehen zusammenfasst. Reizvoll sind auch die Kontraste, die Aiken zu der adeligen Gesellschaft schafft: die Pfarrersfamilie ist erfrischend bodenständig und amüsiert sich heimlich über die Spleens der Bewohner des Landguts, während die beiden Maler Anne klarmachen, dass sie nicht so langweilig ist wie ihre Mutter es ihr stets suggerierte.

Aikens Charaktere sind stimmig und lebendig; sie versteht es, dem Folgeroman zu "Stolz und Vorurteil" eigenes Leben einzuhauchen - dass der Leser sich dabei auch über ein Wiedersehen mit alten Bekannten freuen kann, ist dabei nur einer von vielen Pluspunkten.

Titelbild

Joan Aiken: Der Schmuck der Lady Catherine. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann.
Diogenes Verlag, Zürich 2001.
214 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3257062834

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