Frauen, Jazz und Alkohol

Joseph Moncure Marchs "Das wilde Fest" als Hörspiel, gelesen von Otto Sander

Von Martin GaiserRSS-Newsfeed neuer Artikel von Martin Gaiser

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Jazz und Lyrik - das war schon vor vielen Jahren ein Rezept, das immer mal wieder zu außergewöhnlichen Ergebnissen führte, wie z.B. bei Peter Rühmkorf, Michael Naura und Wolfgang Schlüter mit ihrem Projekt "Phönix voran!". Heute dagegen kommen diese beiden Disziplinen eher in der vermischten Form bei Poetry Slams zusammen. Eine Ausnahme der besonderen Art ist das jetzt auf CD erschienene Hörspiel "Das wilde Fest". Joseph Moncure March erzählt darin in Reimform eine triviale Geschichte aus den 20-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, in der es um Sex, Alkohol, Jazz und antimoralische Attitüden geht, angesiedelt im New York der Prohibition. Queenie ist Tänzerin in einem Varieté und immer scharf auf Männer: "ihr Jahresschnitt lag bei 16 und noch was". Ihr gegenwärtiger Lover ist Burrs, ein Kerl, der im gleichen Theater als Clown auftritt und die Herzen der Damenwelt höher schlagen lässt. Dieses verruchte Duo, dass das leichte Leben von einem auf den anderen Tag genießt, veranstaltet eine "wild party", bei der es munter zur Sache geht, vor allem weil Queenies Busenfreundin Kate und deren Freund Black für jede Menge Verwirrung sorgen. Ein erotisch aufgeladener Tango ist die Ouvertüre zu einer liaison dangereuse zwischen Queenie und Black. Das Brodeln steigert sich zum Sündenbabel: "von den Schultern rutschende Spaghettiträger, kein Halten mehr, es wurde schräger und schräger". Doch die explodierende Leidenschaft bringt nicht nur Lust, sondern auch Ärger, Wut und Kampf mit sich.

"Das wilde Fest" ist eine expressionistische Suada, ein derb-poetischer Lobgesang auf das ausschweifende Leben in den "Roaring Twenties", ein grelles Kaleidoskop eines Mannes, der die von ihm beschriebene Szenerie und ihr Personal gut gekannt haben muss und dieses Völkchen mit großer Präzision und perfekt passendem Vokabular lebendig beschreibt.

Joseph Moncure March, geboren 1899 in New York City, war u.a. Journalist bei der "New York Times" und dem "New Yorker", in den 30er Jahren ging er nach Hollywood, wo er als Drehbuchschreiber an einigen erfolgreichen Filmen mitwirkte. Er starb 1977 in Los Angeles. Der Comic-Künstler und "Raw"-Herausgeber Art Spiegelman entdeckte "Das wilde Fest" wieder und veranlasste eine Neuausgabe, die er mit genau zu Zeit und Stimmung passenden Illustrationen versah.

Ein wahres Füllhorn an herausragenden Künstlern macht diese CD zu einer kleinen Sensation. Da ist vor allem Otto Sander als Sprecher, der mit seiner tiefen und manchmal etwas verschleppten Stimme die lässige Trägheit ebenso trifft wie die erotischen und nervenaufreibenden Szenen, denen er die richtige Dosis an Spannung und Kitzel gibt. Günter "Baby" Sommer, der Komponist und Schlagzeuger, der schon im Zusammenspiel mit Günter Grass seine Nähe zur Literatur demonstrierte, untermalt "Das wilde Fest" nicht nur musikalisch, sondern verschafft ihm vielmehr die Atmosphäre und das feeling, das den Hörer in die Zeit von Louis Armstrong, Glenn Miller und Greta Garbo versetzt. Und der hervorragende Musiker für diese Produktion verpflichten konnte. Und nicht zu vergessen, Uli Becker, der deutschsprachige Haiku-Dichter, der diese Ballade in ein Deutsch brachte, dass beinahe vergessen lässt, dass es ein amerikanisches Original gibt, so flüssig, witzig und prägnant sind seine Verse.

Titelbild

Joseph Moncure March: Das wilde Fest. Hörspiel. Gesprochen von Otto Sander.
Der Audio Verlag, Potsdam 2002.
68 Min., 15,95 EUR.
ISBN-10: 3898131734
ISBN-13: 9783898131735

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