Blicke in die Tiefe

Über Volker Gerhardts "Individualität. Das Element der Welt"

Von Irmgard Johanna SchäferRSS-Newsfeed neuer Artikel von Irmgard Johanna Schäfer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Individualität ist eines der beliebtesten Worte seit der Aufklärung. Individualität besteht aus unzählbar vielen Komponenten, die meisten Menschen machen sich Gedanken über ihre eigene Individualität, manche stellen sie über alles und jeden anderen. Der Mensch scheint auf der ständigen Suche und gleichzeitig auf der Flucht vor ihr zu sein. Individualität, das bedeutet auf der einen Seite, oberflächlich betrachtet: Ich bin aus verschiedenen Tugenden und Fehlern komponiert, ich kann mich ausbauen oder mein Leben verbauen, ich bin eigenständig, ich denke, ich bin unabhängig. Auf der anderen Seite leben wir in Hochhäusern, in Städten, auf dem Land mit vielen anderen Individuen zusammen. Manche lassen wir nicht als solche gelten, weil sie anders sind, anders denken, anders aussehen, denn alles außerhalb vom eigenen Ich, muss sich erst als Selbst beweisen, um als solches anerkannt zu werden. Doch dieses Selbst, dieses Bewusstsein, ist abhängig von seiner Umgebung, wird geformt, verstoßen, geachtet, geschändet und vergessen, so dass man manchmal nur individuell ist, weil die Anderen, die Aussenwelt das Ich als etwas Anderes verdammt oder empor hebt.

Und zur menschlichen Individualität kommt noch eine göttliche, maßgebliche Komponente hinzu, wirkt ein Gott an uns, in uns? Sind wir doch nicht eigenständig, werden wir gelenkt, ist das Menschliche austauschbar, nichtig, können wir uns nur über etwas Höheres definieren? Ist der göttliche Hauch existent, das Besondere überhaupt? Wenn ja, kann es die Seele sein, das Frische im Leben, das Kraft gebende, oder ist es mehr ein grüner Schleim irgendwo in den grauen Gehirnwindungen, weil Gott den Menschen verlassen hat? Wo findet der Mensch seine Existenzberechtigung? Diese Frage scheint ein Beitrag zur Globalisierung zu sein, denn überall trifft man auf die gleichen Fragen: warum bin ich und wer bin ich?

"Individualität. Das Element der Welt", so heisst das Buch von Volker Gerhardt, der versucht hat, Grundlagen der Suche, der Forschung auf dem Gebiet der Individualität, zusammen zu stellen. "Welt- und Selbstbegriff des Menschen stehen in Korrespondenz, so dass die Individualität als Element der Welt systematisch an die Stelle des Atoms gerückt werden kann."

In sieben Kapiteln schreitet das Buch den Bogen der menschlichen Bedürfnisse ab, von "Wissen" über "Moral" bis "Kunst", in überschaubare Abschnitte unterteilt und nachvollziehbar dargestellt. Ein positiver Blick ins Innere und Äussere des Seins, "zugleich auch ein Beitrag zur Metaphysik, Erkenntnistheorie, Kulturphilosophie, sowie zu Ethik und Ästhetik".

Titelbild

Volker Gerhardt: Individualität. Das Element der Welt.
Verlag C.H.Beck, München 2000.
242 Seiten, 14,30 EUR.
ISBN-10: 3406459218

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