Ante-mortem Kummer

Connie Palmens "Erbschaft" als Hörbuch

Von Julia SchmitzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Schmitz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Für Max Petzler, der als Kind schon von Beruf Leser werden wollte, ist das Zusammentreffen mit der Schriftstellerin Lotte Inden ein Glücksfall. Sie ist eine passionierte Autorin, die an einer unheilbaren Muskelkrankheit leidet und weiß, dass sie in den nächsten Jahren daran sterben wird. Max wird zu ihrem persönlichen Sekretär und später auch Pfleger. Die eigentliche Aufgabe von Max besteht jedoch darin, sich in die Gedankenwelt von Lotte hineinzudenken, um später ihren großen Roman, den sie im Kopf hat, jedoch nicht mehr selber wird nieder schreiben können, zu vollenden. Er wird gewissermaßen auf die geistige "Erbschaft" vorbereitet.

Ihre Beziehung steht von Anfang an unter dem Zeichen des Todes, denn ihre Krankheit ist unheilbar. Wenn sie einmal ausbricht, gibt es kein Zurück, nur ein Voranschreiten. Doch das hindert Max nicht daran, intensive Gefühle für Lotte zu entwickeln. Er bewundert ihren kritischen Geist und ihre genaue Wahrnehmung, denn auch wenn ihr Körper langsam verfällt, ist ihr Geist bis zuletzt hellwach, was auch das Traurige ist.

Die Handlungskonstellation bietet einen freien Raum, um Gedanken jeglicher Art unterzubringen. Einige Passagen sind sehr gelungen, sie zeugen von einem hohen Analyse-Vermögen. An anderen Stellen ist der Roman jedoch auch etwas schwach.

Die Figur des Max Petzler beispielsweise wird nicht so recht lebendig. Und wer die Leidenschaft vorangegangener Werke wie zum Beispiel "I. M." erwartet, wird bitter enttäuscht. Der Erzählton ist hier ein anderer. Er ist weniger mitreißend, distanzierter. Aber das mag beabsichtigt sein.

Connie Palmen brilliert in der Auseinandersetzung mit einfachen Handlungen und kommt oftmals zu verblüffenden Einsichten. So zum Beispiel, wenn sie ihre Protagonistin über das Fernsehen nachdenken lässt. "Fernsehen ist was Einsames, und wenn es nicht einsam ist, dann ist es intim. Jemand, mit dem man zusammen fernsieht, den muss man lieben, sonst geht es nicht. Dann redet man zuviel und spielt sich auf und tut, als hätte man nicht einen Teil von sich abgesondert. Zu zweit fernsehen ist intim, weil man zwar zusammen ist, dem anderen aber trotzdem diese Einsamkeit und Absonderung, diesen abgedrifteten, ein wenig betäubten Geist zugesteht, der sich, dessen ist man sich bewusst, gerade mal eine Weile nicht mit einem beschäftigt oder zumindest nicht darüber reden will, falls er es doch tut. Der Fernseher erlegt jedem Schweigen auf."

Insgesamt kann Connie Palmen mit diesem Roman nicht an die Qualität ihrer früheren Werke anschließen, denn die Leichtigkeit, mit der sie in diesen Romanen über das Leben schreiben konnte, ist hier ein wenig abhanden gekommen. Es wirkt zum Teil ein wenig fingiert. Dabei ließ die Ausgangssituation auf Großes hoffen.

Titelbild

Connie Palmen: Die Erbschaft. 3 CDs. Gelesen von Stefan Kurt.
Hörbuch Hamburg Verlag, Hamburg 2002.
170 Minuten, 20,00 EUR.
ISBN-10: 3899030214

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch