Zwei liebenswerte Loser

Nick Hornbys "About a Boy" als Hörbuch

Von Birte RasmussenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Birte Rasmussen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Kinder sind ein Makel wie Muttermale oder Fettleibigkeit" - das ist schlicht die Devise des überzeugten Single Will Freeman. Schon der Name des charmanten Schwindlers und Drückebergers ist Programm. Der 36-jährige Schwerenöter weiß, was er will: ein freier Mann sein! Ein amüsantes Wortspiel des Autors Nick Hornby, der schon in seinem Bestseller "High Fidelity" vom liebenswerten, aber chaotischen Loser berichtet, der auf der Suche nach dem Sinn des Lebens und natürlich auch nach der perfekten Frau ist.

Will lebt von den finanziellen Hinterlassenschaften seines Vaters, der in jungen Jahren mit dem Weihnachtshit "Santa Super Sleigh" zum Star avanciert war. Den lieben langen Tag hockt nun der notorische Nichtstuer Will vor dem Fernsehgerät, spielt Pool oder geht shoppen - am liebsten die aktuellsten und angesagtesten CDs. Denn Will ist cool. Will ist "Frosty, der Schneemann", so cool ist er. Vor allem aber hat er Schlag bei den Frauen. Nicht, dass er sich jemals ernsthaft in eine seiner Begleiterinnen verliebt hätte -, doch sie fliegen nun einmal auf ihn. Als problematisch erweist sich allerdings, dass die Liebhaberinnen das Objekt ihrer Begierde am liebsten immer gleich auf ewig an sich binden würden. Will hingegen nimmt schon Reißaus, sobald auch nur ansatzweise das Thema "Familienplanung" aufkommt. Wie wird man nur diese lästigen, heiratswilligen Damen los, oder vielmehr, gibt es denn keine Frauen, die ihm nicht gleich nach dem ersten Treffen den Ehering aufstecken wollen, und wenn ja, wo?

"SPAT - Single Parents Alone Together". Das ist die Lösung. Will sucht die Selbsthilfegruppe auf und versucht, mit allein stehenden jungen Müttern anzubandeln, die alles andere im Sinn haben als eine feste Beziehung. Anders als deren böser Ex ist Will der Gute, der "Seriensoftie". Will schreckt nicht einmal davor zurück, einen zweijährigen Sohn zu erfinden. Mit Erfolg - er lernt Susie kennen. Eines Tages gehen Will und seine neue Errungenschaft in den Park, im Schlepptau der attraktiven Blondine neben der eigenen Tochter noch ein zwölfjähriger Junge: Marcus.

Marcus ist das genaue Gegenteil von Will. Nicht nur, dass er noch ein Kind ist, er ist auch noch völlig uncool. Er trägt eine Glasbaustein-Brille, eine Frisur, die eigentlich gar keine ist, unmögliche Klamotten und fängt im unpassensten Moment an zu singen - kein Wunder also, dass die anderen Schulkinder "wie Haie" auf den Fluren "patroullieren" und jede Gelegenheit nutzen, dem Jungen das Leben zur Hölle zu machen.

Für Marcus gibt es zwei Leben, das vor und das nach der Trennung seiner Eltern. Danach begann das Chaos. Marcus' Mutter Fiona ist depressiv und weint häufig. Er hatte sich eigentlich schon an die stets kummervolle Miene seiner Mutter gewöhnt, doch nach besagtem Picknick im Park finden Susie, Will und der Junge Fiona bewusstlos auf dem Sofa. Ein Selbstmordversuch. Fiona überlebt, doch das innerlich zerrissene Kind ist in seinen Grundfesten nun vollends erschüttert. Eine dritte Person muss her, ein Freund, auch für den Fall, dass ihr doch einmal etwas zustößt - denn dann wäre er ganz allein.

Marcus hat sich Will als neuen Freund der Familie auserkoren, doch der hasst Kinder und "alle, die dafür verantwortlich waren, sie in die Welt zu setzen". Doch für Will gibt es kein Entrinnen, denn Marcus erweist sich als sehr hartnäckig. Und siehe da: die beiden, die unterschiedlicher nicht sein könnten, werden tatsächlich Freunde. Will erkennt, wie clever der nachdenkliche "älteste Zwölfjährige der Welt" ist. Will kleidet den Jungen neu ein, versorgt ihn mit der neuesten Musik, so dass Marcus auch bald seine Mitschüler beeindrucken kann. Marcus freundet sich mit der 15-jährigen Ellie an, einem Mädchen mit großer Klappe, das ständig Ärger in der Schule hat. Sie nimmt ihn unter ihre Fittiche, keiner wagt es mehr, den eigenbrötlerischen Jungen anzugreifen.

So erwachsen Marcus auch wirkt, Will begreift, dass er ihm erst einmal beibringen muss, ein Kind zu sein und stellt mit Schrecken fest, dass ausgerechnet er der Richtige dafür ist - denn wer weiß besser als Will, dass Kurt Cobain NICHT für Manchester United spielt? Zwar kann sich Will nicht für Marcus' "bekloppte Mutter" erwärmen, doch versucht er in Gesprächen die Ursache für ihre depressive Verstimmung herauszufinden. Auch Will scheint nun nachdenklicher geworden. Aber bei aller Hilfsbereitschaft des Yuppies für die Hippie-Mutter und ihren Sohn schwingt immer noch die Panik vor Verantwortung mit und der Drang, wieder in seine "lebenslange Leistungsverweigerung" zu verfallen.

Nach einem gemeinsamen Weihnachtsabend mit "Nußbratlingen" und pädagogisch wertvollen Geschenken im Kreise von Marcus' Lieben erkennt Will jedoch auf einmal zu seinem eigenen Erstaunen, dass eine Familie nicht unbedingt schlechter sein muss als sein "frivoles Lotterleben". Zu allem Übel verliebt sich der eingefleischte Single an Silvester Hals über Kopf in Rachel. Die dunkelhaarige Schönheit hat einen Sohn - Ali, "psychotisch-ödipal". Durch ein dummes Missverständnis, das Will zunächst nicht aufzuklären vermag, glaubt Rachel, Will habe ebenfalls einen zwölfjährigen Jungen. Will spannt nun Marcus für seine Zwecke ein, der als Gegenleistung von seinem erfahrenen Freund Tipps in Bezug auf seine Beziehung zu Ellie erwartet. Marcus imitiert Wills "zärtlichen Blick", den dieser ständig Rachel zuwirft. Ellies Reaktion: "Fängst Du an zu schielen?" Will muss zudem erkennen, dass Marcus offenbar einfach der bessere Mann ist, denn der glaubt: "Da muss doch noch mehr sein als Sex!"

Am Ende schenkt Will Rachel reinen Wein ein, und auf einmal ist alles viel einfacher. Will, der 36-Jährige, der sich noch vor einigen Monaten nichts Schöneres vorstellen konnte als "Countdown" im Fersehen zu schauen und laut Nirvana hörend mit dem Auto durch die Gegend zu fahren, erkennt, dass er weder etwas vorzuweisen hat, noch dass er im geringsten interessant ist. Das einzige Interessante in seinem Leben ist Marcus. Das macht ihn besonders.

Gesprochen wird Nick Hornbys "About a Boy" von Nicola Fritzen, der den Part des Marcus übernimmt, und von Udo Wachtveitl, vielen bekannt als Kommissar Leitmayr aus dem "Tatort", welcher die Rolle von Will spricht. Dem Hörer wird aus zwei Perspektiven die Geschichte geschildert. Dabei liegt hier der entscheidende Vorteil gegenüber dem Film "About a Boy oder: Der Tag der toten Ente" darin, dass der Hörer einen Einblick in die Gedankenwelt der Protagonisten erhält, die in der filmischen Adaption nur eingeschränkt und durch Mimik und Gestik dargeboten werden kann. Des weiteren ist der Film an manchen Stellen gekürzt bzw. verändert. So kommt zum Beispiel Marcus' Vater in der Vorlage eine viel größere Rolle zu.

Eine wichtige Parallele zu Fionas Selbstmordversuch, die im Film fehlt, ist der erste Suizidversuch des Nirvana-Frontmanns Kurt Cobain. Ellie, glühende Verehrein des depressiven Sängers, versetzt Marcus mit dem Ausbruch "Er wird es wieder tun!" in Angst und Schrecken. Ellie behält Recht, doch Fiona überlebt.

Udo Wachtveitl ist ein Glücksgriff für diese Rolle. Keiner könnte den Will "cooler" interpretieren. Man könnte meinen, der Schwerenöter höchstselbst spräche zum Hörer, und dem fällt es leicht, sich ein Bild vom durchtriebenen Will zu machen. Bei Nicola Fritzen ist man hin- und hergerissen. Seine Stimme ist heller, manchmal fast "quäkig", und in der Erzählung wirkt der Sprecher zuweilen etwas monoton. Er ist sehr bedacht, nach der Schrift zu "spre-chen", was mitunter sehr gestelzt und lesebuchartig klingt. Jedoch sind die von ihm dargebotenen Dialoge und inneren Monologe Marcus' brilliant vorgetragen. Beide Sprecher verstehen es, männliche und weibliche Dialogpartner für den Hörer verständlich und unterscheidbar zu präsentieren.

Titelbild

Nick Hornby: About a boy. 4 CD.
Der Hörverlag, München 2002.
25,90 EUR.
ISBN-10: 3895849820

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