Komödiantische Kluft

Karin Uecker über komische Frauen in Theaterstücken zeitgenössischer Autorinnen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie so manch anderer misogyner Irrtum kann auch Freuds Behauptung, dass Frauen keinen Humor besäßen, auf eine lange Tradition zurückblicken. Karin Uecker zufolge war es William Congreve, der diese Mär im 17. Jahrhundert als erster auftischte. Dabei wusste es doch Platon schon besser. Im "Theaitetos" lässt er Sokrates die bekannte Anekdote einer "artigen und witzigen" Magd aus Thrakien erzählen, die in Spottgelächter ausbrach, als der Weise Thales hocherhobenen Hauptes den Forscherblick zum gestirnten Himmel gewandt, prompt in den Brunnen zu seinen Füßen stolperte.

Ueckers Hinweis auf Congreve findet sich in ihrer Untersuchung zur "Charakteristik von komischen Figuren in Theaterstücken" Erfriede Jelineks, Ginka Steinwachs', Caryl Churchills sowie Franca Rames und Dario Fos. An ihnen werden die "Überschneidungen und Verknüpfungen" zwischen Theater und feministischer Theorie beispielhaft deutlich gemacht, und so auch ganz en passant Congreve und Freud widerlegt. Interessant wird Ueckers Arbeit dadurch, dass sie auf jede der vier Autorinnen eine andere feministische "Lesestrategie" anwendet. "Nur Kinder, Küche, Kirche" (Rame/Fo) wird mithilfe von Susan Purdies Ansatz der Subjektkonzeption gelesen, Ueckers Interpretation von "Wenn ich total heiter bin" (Jelinek) orientiert sich an der von Luce Irigaray in "Speculum" entwickelten Logozentrismus-Kritik, die Lesart von "Eine entfesselte Titanin" (Steinwachs) stützt sich auf Julia Kristevas Bestimmung von Intertextualität, und die Interpretation von "Auf der Bühne ist möglich was man will" (Churchill) profitiert schließlich von der "heutigen vierten Phase der feministischen Theorieproduktion". Gemeint ist Judith Butlers Theorem der "rhetorischen Konstruktionsmechanismen von Geschlecht".

Ueckers Ausgangsthese besagt, dass Komödien als "Spiel im Spiel" die Möglichkeit der "Befreiung von einengenden Identitätskonzepten" bieten, indem das Lachen "durch Auflösung von Identität" bewirkt wird. Weiblichkeit zeige sich in den vier untersuchten Komödien als Ort, der "die Bedeutung des 'weder noch' oder des 'Alles und noch viel mehr'" hervorbringe. Komisch wirkten die "Imaginationen dieser konstruierten Weiblichkeit", weil eine "große Kluft" zwischen dem philosophisch geführten Diskurs über Weiblichkeit und den gesellschaftlichen Imaginationen von Weiblichkeit bestehe.

Titelbild

Karin Uecker: Hat das Lachen ein Geschlecht? Zur Charakteristik von komischen weiblichen Figuren in Theaterstücken zeitgenössischer Autorinnen.
Aisthesis Verlag, Bielefeld 2001.
216 Seiten, 34,80 EUR.
ISBN-10: 389528338X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch