Die Wohltäterin
Per Olov Enquists Roman "Der Besuch des Leibarztes" als Hörbuch
Von Ingeborg Gleichauf
Seit seinem Erscheinen im Jahr 2001 hat Per Olov Enquists Roman "Der Besuch des Leibarztes" begeisterte Kritiken bekommen. Nun ist im HörVerlag eine sehr respektable Hörversion erschienen, deren Bearbeitung Valerie Stiegele zu verdanken ist.
All das, was der Roman an Schrecken und Zärtlichkeit zu erzählen hat, wird von den Spechern kongenial übersetzt. Enquists Roman hat große dramatische Qualitäten, die die Hörversion sehr gut zur Geltung bringt. Besonders die Stimmen von Andrea Pietschmann (König Christian VII) und Felix von Manteuffel (Guldberg) seien hier lobend erwähnt. Furcht und Schrecken übertragen sich augenblicklich auf die Zuhörer.
Was zwangsläufig fehlen muss, sind die psychologischen und philosophischen Feinheiten des Textes. Der Autor, der im Roman stets präsent bleibt, wird in der Hörfassung zum "Erzähler", und das ist zu wenig. Denn schließlich zeigt sich gerade in diesem Buch Enquist als der eigentliche Drahtzieher des Geschehens. Man ist ganz Ohr, aber das Nachdenken, das das Lesen dieses Romans stets begleitet, stellt sich nicht ein. Für die begeisterte Leserin ein Manko. Andererseits gibt das Hörspiel den Menschen eine Art neuer Freiheit. Sie sind es, die leiden, die Angst haben und die Erlösung finden.
Vielleicht sollte man den Roman nicht schon gelesen haben, bevor man die Hörfassung kennen lernt.
![]() | ||
|
||
![]() |