Das Ähnliche und das Andere

Über rationalistische Traditionen im Islam

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gerade wenn die Medienmaschinerie in Folge der Ereignisse des 11. September lieber schnell abrufbare Feindbilder aufbaut, tun Bücher, die sich um eine differenziertere Betrachtung des Islam bemühen, Not. Lerch, für den Nahen Osten zuständiger Redakteur der F. A. Z. sowie studierter Islam- und Religionswissenschaftler, hat ein Buch über die Philosophie des Islam geschrieben, die sich an den interessierten Laien wendet, aber auch dem Fachmann eine gewinnbringende Handreichung sein kann.

Lerch bietet vor dem Hintergrund der heutigen innerislamischen Auseinandersetzung um Fundamentalismus und Islamismus eine Darstellungsweise, die zum einen die Fragmentiertheit des Islam betont und zum anderen die rationalistische Tradition des Islam betont; in dieser liegt nach seiner Meinung eine Möglichkeit der Überwindung radikal-traditionalistischer Tendenzen. Dabei tritt Lerch für eine Einbeziehung eben dieser der Vernunft verpflichteten philosophischen Tradition in gegenwärtige religiöse Strömungen ein. Damit, so hofft er, lässt sich die Gefahr zweier Einseitigkeiten vermeiden: die der Globalisierung und die der Islamisierung.

"Man wird dabei recht bald merken, wie sich die Dinge gleichen, ohne immer ganz gleich zu sein.": Immer wieder zeigt Lerch Parallelen zwischen der abendländischen, christlich geprägten Philosophie und den islamischen Philosophen auf, ohne den wesentlichen Unterschied zwischen Christentum und Islam zu vernachlässigen: Im Christentum geht die Auffassung über die menschliche Natur von einer Gefallenheit des Menschen, sprich: der Erbsünde aus, wohingegen im Islam eher die Verführbarkeit des Menschen durch die Sünde im Mittelpunkt steht.

Lerch stellt die wichtigsten islamischen Philosophen vor. Sie verdienten es, "im gleichen Atemzug mit den großen Philosophen des Westens, des Abendlandes, genannt zu werden." Der Autor ordnet seinen Streifzug durch die islamische Philosophie sieben Sachbereichen zu: der Erkenntnistheorie, dem Ursprung der Welt, dem Seinscharakter der Dinge, dem ethischen Handeln des Menschen in der Welt, dem Verhältnis von Glauben und Wissen, der Eschatologie sowie dem politischen Denken. Diese nicht immer einfachen Gedankengänge werden verständlich dargeboten. Lerchs Buch wird durch eine kommentierte Auswahlbibliographie abgerundet.

Daneben bezieht er sich auch auf Samuel Huntington, der in den 80er Jahren die These vom "clash of civilizations" aufbrachte. Ihm widmet Lerch ein eigenes Kapitel. Er verwirft seine Thesen nicht pauschal, sondern kritisiert Huntington nur wegen seines simplifizierenden und eindimensionalen Islamverständnisses. Seine Thesen seien zwar zugespitzt formuliert, aber nicht grundsätzlich falsch.

Einzig im ersten und im letzten Kapitel ist eine gewisse Sympathie für die Prinzipientreue des Islam erkennbar. "Während das christliche Abendland schon lange abgedankt hat und nur noch in Anführungszeichen und mit verschämter Attitüde hier und da einmal Erwähnung findet, beharren die Muslime auf der Islamität ihrer Kultur." Die Philosophen des Islam "strebten im allgemeinen nach einer Auffassung vom Glauben, die auch der Verstand gutheißen konnte." Daran anschließend, fordert der Autor zu mehr Gelassenheit des Westens gegenüber der islamischen Welt auf.

Titelbild

Wolfgang G. Lerch: Denker des Propheten. Die Philosophie des Islam.
Patmos Verlag, Düsseldorf 2000.
184 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3491724295

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