Mit den Augen eines Freundes
Peter Hamms Filmporträt über 60 Jahre Handke auf Arte
Von Oliver van Essenberg
Peter Handke hat einige Freunde und viele entschiedene Kritiker - so scheint es zumindest im Hinblick auf die Einschätzung des Autors in der literarischen Öffentlichkeit. Der 60. Geburtstag war einmal mehr Anlass, das zum Ausdruck zu bringen. Schon vor der Austrahlung von Peter Hamms Filmporträt "Der schwermütige Spieler", das am 6. Dezember 2002, zu mitternächtlicher Stunde bei Arte zu sehen war, konnte man in Tageszeitungen die ersten Besprechungen lesen, von denen nicht wenige, mit gewohnt selbstgefälligem Gestus, sich hinter vorgehaltener Hand über den Autor lustig machten.
Von Peter Hamm, dem langjährigen Freund Handkes, war im Rahmen des Geburtstagsbeitrags eine kritische Stellungnahme, die vor allem Handkes Engagement für Serbien herausfordert, wohl nicht zu erwarten. Dafür hat Hamm den Autor selber sprechen lassen. Eng angelehnt an den Rückblick auf sein eigenes Schaffen, hebt der Film prägnante Konfliktkonstellationen hervor, die das Schreiben des Autors über Jahrzehnte begleitet haben: Kindheit im halbslowenischen Kärnten, dessen Landschaft der Junge neugierig aufsaugt, der recht abrupte Wechsel zur Studentenbewegung, die Handkes Publikumserfolg mitträgt, und die Abkehr von der Vätergeneration, schließlich sogar von der Studentenbewegung selbst, am meisten allerdings von Deutschland.
Der unter Umständen bemerkenswerteste Satz, von dem viele Entwicklungslinien des Werkes ausgehen, sich mit dem eigenen Leben verzweigen und ein intertextuelles Netz bilden, in das sich der Autor einspinnt, stammt nicht von Hamm, sondern von Handke selbst. Mit allem, was deutsche Staatlichkeit sei, könne man ihn jagen, lässt der Autor wissen. Mit dieser Wut auf Deutschland könne man nicht unbedingt schöne Literatur hervorbringen. Aber sie wirke zu seinem Leidwesen in allen Büchern mit.
Biografisch führt Hamm diese Haltung auf das Schicksal von Handkes Brüdern zurück, die, vom Schriftsteller als Partisanen verehrt, im Zweiten Weltkrieg ermordet wurden und in der Nähe des heimatlichen Wohnorts begraben sind. Die Friedhofsszenerie könnte eine Metapher abgeben für Handkes immerwährende Konflikte. Der Krieg in Jugoslawien schürt die Wut auf Deutschland aufs Neue an und weckt im Gegenzug auch den alten romantizistischen Kindheitstraum vom ewigen Frieden, den Handkes Prosa episch ausmalt.
Hier hätte Hamm die Kritik an Handkes journalistischen Rundumschlägen stärker zur Geltung bringen können. Stattdessen gab der Film zwar interessante, aber letztlich undistanzierte Begegnungen wieder. Handke Arm in Arm mit Alexander Tišma, mit seinen Reisebegleitern bei einem Friedhof, auf der Straße am Abend zu Gitarrenklängen singend.
Was die Kritik betrifft, so lässt Hamm auch hier die wichtigsten Einwände den Autor selbst formulieren, vor allem seine Zweifel an der als (hirnrissig( bezeichneten Friedensutopie. Dass diese Selbstwidersprüche von der Kritik in aller Regel, so auch bei der Besprechung der literarischen Texte, unterschlagen werden, steht auf einem anderen Blatt.
60 Jahre - gerafft auf 60 Minuten - das ist fürwahr ein schwieriges Unterfangen. Hamm ist es gelungen, die wichtigsten Stationen und Stichwörter für das Verständnis, wie Handkes Leben und Werk zusammenhängen, schlüssig darzustellen, sie einzufangen mit ungewöhnlichen Filmsequenzen - eines lesenden Handke vor der Saint-Victorie - Eindrücken aus den bewegten Zeiten der 68er und dem, was Handke an Frauen (sexy( findet, sowie seltenen Momentaufnahmen des glücklichen Familienvaters und über das Wohnen im Pariser Vorort Chaville-Vélizy. Nicht zu vergessen natürlich die Prominenten, die über Jahrzehnte hinweg Freunde geblieben sind: Alfred Kolleritsch, Wim Wenders und Claus Peymann.