Showdown In Bayern

Westerngedichte von Franz Dobler auf CD

Von Daniel BeskosRSS-Newsfeed neuer Artikel von Daniel Beskos

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nachdem im letzten Jahr Franz Doblers Johnny Cash-Biographie "The beast in me" viel Beachtung fand, bleibt er auch bei seiner aktuellenVeröffentlichung bei der Thematik, dreht den Country zurück, bis er wieder Western heißt, und legt mit einer Sammlung eigener Gedichte nach: Auf "der tag, an dem ich allen glück wünschte" liest er aus seinem 1991 erschienenen Gedichtband "Jesse James und andere Westerngedichte".

Zu elektronisch-jazziger Musik von hubl g erzählt uns Dobler von Hillbillys, Texanern und Revolverhelden, von Männern, die ihre Colts wirklich gebrauchen können und von anderen, die darin nicht ganz so gut waren und deshalb dran glauben mussten. Er erzählt von Güterzügen, die durch eine Landschaft fahren - und der Hörer kann aufspringen und mitfahren, sieht hinaus aus dem Fenster, sieht eine Westernlandschaft und weiß nicht, ist es Bayern, ist es Colorado, ist es ein Film, gar einer von Sam Peckinpah? Beim Augsburger Dobler liegen Bayern und der wilde Westen ganz nah aneinander, und das scheint beim Hören seiner Gedichte auch selbstverständlich zu sein. Es wird deutlich, dass Dobler sich über einen längeren Zeitraum mit Westerngeschichten und Westernlegenden beschäftigt hat. Er hat viele kleine Quellen zusammengesammelt, die ihm als Anfangspunkte für seine Gedichte dienten, und vermischt nun, wie er schreibt, bayerische Bilder aus seiner eigenen Jugend mit historischen Fakten aus den USA des letzten Jahrhunderts. Aber gerade diese interessanten Kleinigkeiten aus dem sogenannten wilden Westen sind es, die die Gedichte so interessant machen: Die Empfehlung des Marshals Jake Willman etwa, der als beste Waffe für einen Polizisten den LeMat-Revolver mit dem Notfall-Buckshotlauf empfiehlt. Oder die Geschichte, der zufolge Henry Antrim alias Billy the Kid immer "ein kleines Buch" von Karl Marx mit sich herumtrug, wohl auch, als er erschossen wurde. Anhand dieser kleinen Details entwickeln sich in den Gedichten nicht nur Portraits der jeweiligen Personen, sondern auch ihre Position als Outlaws wird aus einer neuen Perspektive gezeigt: Nicht mehr als Gangster, sondern als tragische Helden. Überaus angenehm ist es auch, auf dieser CD nicht die übliche schauspielausgebildete Hörbuchsprecherstimme lesen zu hören, sondern den Autor selbst. Dobler, der sich schwer durch seine Gedichte zu schleppen scheint, erzählt in Wirklichkeit doch ganz einfach und eindringlich, auch aus seiner eigenen Vergangenheit, und man weiß wieder nicht genau, war die in Bayern oder in den westlichen Staaten der USA. Er wollte, wie er schreibt, "Gedichte in ein scheinbar feindliches Genre" pressen. Doch dabei hat er ganz nebenbei wunderbare Verbindungslinien gezogen, die erkennen lassen: so feindlich ist das Genre "Western" der Poesie gar nicht gesinnt, und Doblers Westerngedichte funktionieren, mögen sie auch inhaltlich zunächst etwas skurril wirken, in ihrer Ehrlichkeit und Offenheit allemal besser als ein Großteil der aktuellen deutschen Langweilerlyrik. Nächstes Jahr, an den heißen Sommertagen, sollte man diese CD noch einmal hervornehmen, sich auf den Balkon setzen, in die Sonne blinzeln und Doblers Gedichten zuhören. Ob man sich dann in München befindet oder in Arizona, spielt keine Rolle.

Beides ist richtig.

Titelbild

Franz Dobler: Der Tag an dem ich allen Glück wünschte. Westerngedichte CD.
Verlag Antje Kunstmann, München 2002.
63 min., 16,90 EUR.
ISBN-10: 3888973171

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