Emotionen in einem philosophischen Wüstenflecken

Richards Wollheim unternimmt eine trockene Analyse der Gefühle

Von Andrea PotzlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Andrea Potzler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Emotionen haben die Menschen immer bewegt. Doch die Philosophen hielten sich aus einem so diffizilen Gebiet meist heraus und überließen das Terrain lieber den Dichtern und Romanautoren. Schliesslich mochte sich die Philosophie mehr mit den hehren Gedanken umgeben als so "niedere Einflüsse" wie die Emotionen zu wahrer Geltung kommen zu lassen. In den Philosophiegeschichten findet man auch heute noch seitenweise Abhandlungen über die Ansichten der großen westlichen Denker zu den klassischen Themen wie dem Determinismus, der Gerechtigkeit oder der Weisheit, aber nur Fußnoten zu den Gefühlen. Und diese wiederum vor allem in der Antike, später werden die Gefühle nur noch punktuell geschätzt, bei Pascal etwa sind sie unabdingbar zur ganzheitlichen Erkenntnis, bei Hume finden die Gefühle zaghafte Verteidigung durch das "Primat der Neigung".

Doch in neuerer Zeit könnte man nach dem großen "linguistic turn" beinahe auch von einem "emotional turn" sprechen. Gerade mit der analytischen Philosophie, die sich oft in die Nähe der Psychologie begibt und mit dieser sich die Emotionen wieder vornimmt. Und dies eben nicht nur in Rückbesinnug auf Platon und Aristoteles.

Da meint man, würde ein Buch von rein philosophischer Seite wohltun. Richard Wollheims Buch "Emotionen. Eine Philosophie der Gefühle", oder "On the Emotions. The Ernst-Cassirer Lectures" greift dies beherzt an. Doch behauptet der Autor gleich, für sich nur innerhalb eines gewissen Rahmens sprechen zu können, nicht wie man das von der Philosophie allgemein so gerne erwartet, jenseits von Zeit und Raum mit schwindelnder Allgemeingültigkeit.

Gefühle versteht Wollheim als mentales Phänomen. Gedanken oder Sinneswahrnehmungen werden selten in Frage gestellt, Gefühle hingegen ständig. Doch ohne Kategorien geht es natürlich nicht. Wollheim unterscheidet klar zwischen reflexiven, moralischen Emotionen und den sogenannten "Standardemotionen", die sich spontan bei uns einstellen. Ob diese Unterscheidung grundsätzlich von Nöten ist, wage ich zu bezweifeln. Es gibt zwar in dieser Terminologie sehr unterschiedliche Auslöser für Emotionen, die Emotionen selbst hingegen sind in keiner Weise unterschieden. Folgt man Wollheim in diesem Punkt aber nicht, scheinen Teile seines Buches eher wie ein Versuch, dann doch vordergründig klare Grenzen zu setzen, Begriffe zu finden und sich dann weniger mit den Emotionen selbst zu befassen. Und letztlich verpasst das Buch sein Ziel, den Emotionen näher zu kommen.

Ob sich der interessierte Laie in diesem Werk wiederfinden kann, ist zweifelhaft. Wollheims Stil ist sehr trocken, psychologische Beispiele oder auch Forschungsergebnisse, um etwas aufzulockern oder ausführlich zu erläutern, fehlen weitgehend, und auch an den Stellen, wo man sich erhofft, der Verfasser könnte in einen etwas umgänglicheren Plauderton kommen, wird man herb enttäuscht. Die Anspielungen auf verschiedene Szenarien in Werken der Literatur oder auch der Philosophie geraten so knapp, dass nur der Eingeweihte wirklich folgen kann.

Vielleicht kann eine Analyse der Emotionen nur jenseits einer klaren Umgrenzung stattfinden und muss sich in die Niederungen des Neides, des Hasses und vor allem auch der Liebe begeben. Wollheim schließt mit dem Kommentar, dass unsere Emotionen, ermangelten sie der Geschichten, wohl einfach absterben würden. Ein paar mehr Geschichten, so glaube ich, hätten auch seinem Buch gutgetan.

Titelbild

Richard Wollheim: Emotionen. Eine Philosophie der Gefühle.
Übersetzt aus dem Englischen von Dietmar Zimmer.
Verlag C.H.Beck, München 2001.
296 Seiten, 25,50 EUR.
ISBN-10: 3406480861

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