Es lebe das Fragezeichen

Hans Werner Kettenbach: "Die Konkurrentin"

Von Ulrike ZimmRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulrike Zimm

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dieses Zitat von Örkenys scheint der Protagonist des neuen Romans von Hans Werner Kettenbach fast wörtlich zu nehmen.

Raimund Auweiler, Arzt im Ruhestand, ist seit 34 Jahren mit der 17 Jahre jüngeren Lene, einer sympathischen Mittfünfzigerin, verheiratet. Statt den Ruhestand zu genießen unterstützt er seine Frau, die ihre politischen Karrierewünsche verwirklichen möchte, nach bestem Wissen und Gewissen, auch wenn seine politische Einstellung stark von der ihren abweicht.

Diese Unterstützung macht mehr Probleme, als Auweiler lösen könnte. Der Pensionär versucht Steine aus dem Weg zu räumen, die die Pläne seiner Frau zunichte machen könnten. Er macht sich zu viele Gedanken, hat Schwierigkeiten sie mit der Realität zu vereinbaren. Und stellt sich zu viele "was-wäre-wenn" Fragen. Oft reicht ein belangloses Wort oder ein Stirnrunzeln und in seiner Phantasie entspinnt sich eine dramatische Geschichte, die sich dann zu den anderen dramatischen Geschichten seines Lebens gesellt und scheinbar einen Kreis schließt. Der Leser kann dabei genau verfolgen, wie aus einem kleinen Gedanken eine große Geschichte wird. Es ist amüsant, manchmal erschreckend, oft erstaunlich, welche Gedankengänge er entwickelt und welche Strategien er sich ausdenkt, um das vermeintliche Unglück von seiner Frau abzuwenden.

Aus diesem Grund stellt sich Raimund viele Fragen. Eine wichtige Rolle in diesen inneren Monologen, die er oft sich mit führt, spielt Lenes ältere, alkoholkranke und vorbestrafte Schwester Edda. Sie, das schwarze Schaf der Familie, gehört der Kriegsgeneration an, die Elend und Vertreibung miterleben mussten. Von diesen dramatischen und einschneidenden Erlebnissen ist Lene verschont geblieben schon aus diesem Grund entwickelt sich ihr Leben unbeschwerter. Könnte die neidische Schwester ihrer Karriere schaden? Was weiß sie über den Tod eines Jungen aus Lenes Abiturklasse, der bei einem Ausflug verunglückte? Ist an der Vermutung, dass Lene Affären hat, etwas Wahres dran? Schadet es Lene, dass ihr Stiefsohn schwul ist? Raimund weiß alles und nichts.

"Die Konkurrentin" ist nicht nur ein Buch über Politik und Machtkampf, es ist auch ein Liebesroman. Es werde kleine, oft kaum wahrnehmbare Bilder gezeichnet, die zeigen, dass neben der Arbeit auch die Liebe, in welcher Form auch immer, nicht zu kurz kommt. Aus welchen Gründen sollte sich der Mann so sehr für die Karriere seiner Frau einsetzen, wenn er sie nicht liebt? Diese Liebe des Mittsiebzigers zu seiner wesentlich jüngeren Frau wird genauso detailliert beschrieben, wie das schwierige Verhältnis der beiden charakterlich sehr verschiedenen Schwestern. Nicht zuletzt wird Auweiler als treusorgender Vater und liebevoller Großvater dargestellt. Außerdem gelingt es Kettenbach in dieses Buch noch ein Stück deutsche Geschichte einzuweben, indem er den doch sehr unterschiedlichen Werdegang der Schwestern beschreibt.

Kettenbachs Roman wurde zu einer Zeit geschrieben, als von Spendenskandalen, Intrigen und Machtmissbrauch viel die Rede war. Ist das Zufall oder kann man einfach sagen, das ohne Skandale keine Politik mehr gemacht wird und ohne Politik keine Skandale? Oder ist es das richtige Buch zur richtigen Zeit, auch wenn es sich "nur" auf Kommunalpolitik stützt? Auf jeden Fall bekommt der politische Laie einen kleinen Einblick in die Kulissen des Kommunalwahlkampfes mit all seinen Raffinessen, Intrigen, Gemeinheiten und Peinlichkeiten.

Titelbild

Hans Werner Kettenbach: Die Konkurrentin.
Diogenes Verlag, Zürich 2002.
522 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3257063016

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