Eine gefährliche Kultur der Unwissenheit und des Denkverbots

Sabine Wierlemanns linguistische Untersuchung zum Begriff der Political Correctness

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bekanntlich bricht sich "im Gewand des PC-Liberalismus" eine gefährliche "Kultur der Unwissenheit und des Denkverbotes" Bahn, die nicht nur auf eine "Einschränkung der freien Meinungsäußerung" abzielt, sondern schlimmer noch auf einen "neuen-alten Sozialismus" - so zumindest ein im Internet nachzulesender "Aufruf der Jungen Union Hessen gegen die Political Correctness". Was es wirklich mit "PC", der Political Correctness und auch mit solchen Aufrufen auf sich hat, ist woanders nachzulesen: in Sabine Wierlemanns linguistischer Untersuchung zur Political Correctness in den USA und in Deutschland.

Wie die Autorin anhand der begriffsgeschichtlichen und inhaltlichen Entwicklung des Terminus nachweist, resultieren die Bedeutungsveränderungen, die das Denotat und der Sprachgebrauchswert des Begriffs 'Political Correctness' in den letzten Jahrzehnten vollzogen hat, aus einer "Manipulation im Sinne einer bewussten und gezielten Einflussnahme", die zum Ziel hatte, sprachkritische und emanzipatorische Entwicklungen durch negative Konnotationen zu "diskreditieren". Zwar referiert PC auch in diesem Sprachgebrauch auf Sprachkritik, die an sich noch immer positiv besetzt ist, hier allerdings als Indoktrination, Kontrolle und Zwang ausübende Instanz negativ beurteilt wird. So wurde aus einem Begriff, der in den 60er Jahren innerhalb linker Gruppierungen als "kritisch-ironische Zurechtweisung für allzu linientreue Parteigenossen" verwendet wurde, eine "Diffamierungsvokabel" mit dem "Wert eines Schimpfwortes", die von konservativen Kreisen als "Fremdbezeichnung für das gesamte liberale Spektrum" eingesetzt wird.

Dies etwa für die BRD zu belegen bietet erwartungsgemäß keinerlei Schwierigkeiten. Wierlemanns Überblick der PC-Rezeption in Deutschland zieht hierzu überwiegend die Tageszeitungen "FAZ" und "FR" sowie die Wochenblätter "Spiegel", "Zeit" und den "Focus" heran, in welchem die Political Correctness als "politische Pest aus den USA" (Michael Stürmer) bezeichnet wird und die "bornierten PCler" als "eifernde und geifernde Tugendwächter" beschimpft werden (Gabriele von Arnim). Das Hamburger Konkurrenzblatt, der "Spiegel", steht dem durchaus nicht nach, wenn er den "Neusprechfloskeln" der Political Correctness "inhumane Denk- und Kampfschablonen" (Matthias Matussek) bescheinigt.

Die "gezielte Einflussnahme" auf den Sprachgebrauchswert des Begriffs und seine "politische Instrumentalisierung" rechtfertigen es der Autorin zufolge, von einer "Begriffsbesetzung" zu sprechen. Wierlemann will nun nicht nur auf die gesellschaftliche Notwendigkeit des "sprachkritischen Handelns" aufmerksam machen, sondern auch die Notwendigkeit einer Reaktion auf die konservative Begriffsbesetzung unterstreichen. Denn die konservative Begriffsbesetzung konnte der Autorin zufolge nicht zuletzt deshalb so erfolgreich sein, "weil sie auf keine positive Abgrenzung und Standpunktdefinition der diskreditierten Linken traf". Im Gegenteil, inzwischen wird der Begriff selbst von emanzipatorischen Bestrebungen verpflichteten Menschen aufgegriffen und reflektions- und bedenkenlos zur Diffamierung andersdenkender MitstreiterInnen benutzt. So hat etwa Frigga Haug, eine gestandene Feministin der alten marxistischen Schule, den Topos der politischen Korrektheit unlängst im "Argument" eingesetzt, um gegen konkurrierende feministische Positionen zu polemisieren.

Umso dringlicher ist die von Wierlemann herausgestrichene "Notwendigkeit einer strikten Distanzierung" nicht von dem mit dem Begriff "Political Correctness" behaupteten 'Faktum', sondern von dem Begriff selbst. Denn der Versuch seiner "positive[n] Umwertung" sei aufgrund seiner fortgeschrittenen Instrumentalisierung "wenig erfolgversprechend". Daher schlägt Wierlemann die "Forcierung einer selbstbewussten Referenz" vor, welche "differenzierte Analyse und Reflexion" als Zeichen "besondere[r] Qualität von Sprachkritik" betonen müsse. In Betracht könne etwa der Begriff "Criticism" kommen, der für eine "kritische Analyse" stehe, "die durch Argumente zu überzeugen versucht".

Titelbild

Sabine Wierlemann: Political Correctness in den USA und in Deutschland.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 2002.
246 Seiten, 39,80 EUR.
ISBN-10: 3503061444

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch