Eine Explosion

Ulrich Matthes' liebevolle Lesung von Vladimir Nabokovs "Pnin"

Von Saskia SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Saskia Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer heute "Lolita" hört, denkt schon lange nicht mehr an den gleichnamigen Roman, so sehr hat sich das Klischee dem Kunstwerk gegenüber durchgesetzt. Aber wer das Werk des Schriftstellers Vladimir Nabokov kennt, weiß, dass er auch andere bedeutende Romane geschrieben hat. So auch den beinahe zeitgleich entstandenen "Pnin", der aus sieben Erzählungen besteht. Diese könnten eigenständig stehen, wären sie nicht sich ergänzende, bewegte Bilder des immer gleichen Timofey Pnin. Dieser ist Exilrusse und Slawist an einer kleinen Universität in den Oststaaten der U. S. A..

Wir, die geneigten Leser, lernen Pnin auf einer Zugfahrt kennen. Er denkt gerade darüber nach, wie er das Manuskript seines Vortrags, den er am Abend halten muss, verstauen soll: denn er will es weder verlieren, noch vergessen, noch in die falsche Tasche stecken, noch es in der falschen Innentasche des falschen Anzugs aufbewahren - er muss es unbedingt zur richtigen Zeit zur Hand haben. Und während Pnin mit diesem Problem beschäftigt ist, erfährt der Leser, dass sein Dilemma noch viel größer ist. Und bei diesem einen Mal bleibt es nicht: Pnin, dessen Name kaum jemand aussprechen kann, weil er eher an eine "Explosion" erinnert als an eine sinnstiftende Kette von Lauten, hat noch einige Altlasten aus der Vergangenheit und Eigenartigkeiten des amerikanischen Alltags zu bewältigen, bis ihn der Erzähler in einem melancholischen Moment in Frieden lässt.

Der Schauspieler Ulrich Matthes verleiht dem Erzähler eine Stimme, die gut zum Ton des Textes passt. Zudem gibt er mit einem russischen Akzent der wörtlichen Rede Pnins, die ohnehin durch eine exzentrische Grammatik besticht, eine besondere Note. Humorig und geradezu liebevoll wird erzählt vom schrullig wirkenden, hochintelligenten, sich in wissenschaftlichen Studien verlierenden, hoffnungsvoll sich der Welt (und vor allem seiner Frau) ausliefernden Pnin. Der in englischer Sprache verfasste Roman, der 1957 in den USA erschien, gilt heute als guter Einstieg in das Werk von Vladimir Nabokov (1899-1977). Und nach dem Hören der CD wird man diesen Einstieg auch gerne nutzen.

Titelbild

Vladimir Nabokov: Pnin. 6 CDs. Gelesen von Ulrich Matthes.
Der Audio Verlag, Berlin 2002.
423 Minuten, 32,95 EUR.
ISBN-10: 3898131963

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