Billy und die Detektive
Die Filmfassung von Erich Kästners berühmtem Kinderroman "Emil und die Detektive"
Von Stefan Neuhaus
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDas Erscheinen des Drehbuchs von "Emil und die Detektive" hat wohl weniger mit Erich Kästners hundertstem Geburtstag als mit der Bedeutung dieses Films in der deutschen Filmgeschichte zu tun. Als Freund von Kästners Werk und als Filmfan kann man die Edition in der Tat nur begrüßen, so dürfte die Mitarbeit des späteren Starregisseurs Billy Wilder am Drehbuch bisher kaum bekannt sein. Diesem Eingangslob muß aber eine kritische Einschränkung folgen: Die Frage ist, ob sich tatsächlich viele Interessierte das Drehbuch ansehen werden, da die Unterschiede zum berühmten und allseits bekannten Kinderroman nicht sehr bedeutsam sind. Die Ausgabe würde dann dem selbstgestellten Anspruch, "belletristisch interessierte Leser" anzusprechen und sie anzuregen, "Drehbücher als literarische Texte zu entdecken", kaum gerecht.
Solche Leser hätte man eher mit unpublizierten Kästner-Drehbüchern gewinnen können, die als eigenständige literarische Leistungen gelten würden; vor allen anderen wäre dies das im Nachlaß gefundene Manuskript von "Robinson soll nicht sterben" gewesen, auch an die Übersetzung "Alles über Eva" ("All about Eve") sollte man sich einmal wagen (geschweige denn der zahlreichen anderen Kästner-Drehbücher). Vielleicht kann die Reihe FILMtext solche Lücken mittel- oder langfristig noch schließen.
Der Band macht handwerklich einen guten Eindruck, vor allem die Entstehungsgeschichte des Films ist hervorragend dokumentiert. Gabriele Jatho hat hierfür zusätzlich zu allgemein zugänglichen Quellen den Kästner-Nachlaß und offiziöse Archiv-Akten konsultiert. Informationen zum Film, zum Regisseur und zu den anderen Beteiligten, zum Beispiel zum Komponisten Allan Gray (warum wird ihm als einzigem ein eigenes Kapitel gewidmet?), zeitgenössische Filmkritiken und Literaturhinweise runden den Band ab. Etwas abschreckend wirkt dagegen der dem Drehbuchabdruck vorangestellte, einleitende Essay von Helga Schütz. Aller sonstigen Verdienste der Autorin ungeachtet: Die gewählte Form einer Buch und Film vergleichenden Nacherzählung (mit entsprechenden Längen) und die viel zu kurzen, stakkatoartigen Sätze lassen keine Lesefreude aufkommen und bieten nur wenig Erkenntnisgewinn.
Soweit es die philologische Genauigkeit betrifft, sind noch zwei Kleinigkeiten anzumerken. Nicht einleuchten will mir die Schreibung "Billie Wilder" im Titel, auch wenn in einem Nebensatz erklärt wird, daß der berühmte Regisseur zur Zeit der Drehbucharbeit seinen Vornamen noch so schrieb. Umgekehrt wäre ein Schuh draus geworden, hätte man der bekannten Schreibweise "Billy" den Vorzug gegeben und die frühere erwähnt. Wenn man hierüber noch gelehrt streiten kann, so dürfte es keine Frage sein, daß die Schwierigkeiten, den Anteil der einzelnen Drehbuchmitarbeiter zu ermitteln, zu unterschiedlichen Angaben im Titel und im Text geführt haben. Der Nachweis im Titel ist so nicht richtig, denn Billy Wilders Arbeit war es, ein fertiges Drehbuch zu überarbeiten. Auch die detaillierte Fassung des Nachweises im Text leuchtet, nach allen vorherigen Ausführungen, nicht ein, denn dann müßte die Grundlagenarbeit von Kästner/Pressburger gewürdigt werden, und es wären Paul Frank und Carl Mayer, die offenbar als nächste zur Überarbeitung herangezogen wurden, in dieser Funktion aufzuführen. Fazit: Die unbestreitbaren Verdienste der Edition wären besser zur Geltung gekommen, hätte man diverse Unstimmigkeiten vermieden.