Bilderwelten und Weltbilder

Anita Albus befasst sich in "Paradies und Paradox" mit Wunderwelten aus fünf Jahrhunderten

Von Christoph Schmitt-MaaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christoph Schmitt-Maaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Anita Albus hat - fast möchte man sagen: wieder einmal - den optimalen Repräsentationsrahmen gewählt. Denn wo ließe sich die Schönheit von Büchern und von Drucken schlechterdings besser wiedergeben als in einer Buchreihe, die seit ihrem Bestehen durch auserlesenes Papier und eine ebensolche Bindung glänzt? Nun sticht Albus' Werk durch die Reproduktion von goldschimmernden Illuminationen in ganz besonderer Weise hervor. Damit kommt die Lektüre einer Entdeckungsreise gleich.

Albus erzählt von der Kunstbesessenheit bekannter und weniger bekannter Dichter, Denker und Sammler aus fünf Jahrhunderten. Dabei gelingt es ihr, in anschaulich erzählten Biographien Motivationen, aber auch Fallstricke der Sammelleidenschaft aufzudecken. Damit zeichnet sie gleichsam ein Bild der Zeit, stellt Beziehungen her und lässt den Leser die Geschichte der Sammelwut gleichsam nachempfinden. Gerade im ersten Essay, der sich mit dem humanistischen Kreis um Abraham Ortelius auseinandersetzt, gelingt es der Autorin, die Biographien zu Leben zu erwecken und eine Welt anschaulich zu machen, deren Emblemata, Allegorien und Symbole uns heute nur noch schwer zugänglich sind. Damit steht sie in der Tradition Panofskys, der einzelne Kunstwerke im Kontext von Literatur und Philosophie ihrer Zeit zu deuten trachtete. Bei Albus tritt jedoch noch ein Faktum hinzu, das das Buch zu einem Genuss werden lässt: Als aktive Künstlerin, Schriftstellerin, Malerin und Grafikerin lässt sie keinen Zweifel an ihrer Begeisterungsfähigkeit für den Gegenstand. Das ist ein wohltuend anderer Entwurf von Wissenschaft als der von scheinbarer Objektivität oder postmoderner Egalität. Gelegentlich störend kann es allerdings doch wirken, in welchem Maße Albus die heutige Zeit und ihren Umgang, ihr Verständis von und mit Natur in Opposition zum Mittelalter stellt. Indem sich Anita Albus auf die Spuren der Sammler und Naturverehrer begibt, lässt sie die wissenschaftliche Distanz hinter sich, ohne unkritisch zu sein. Joris Hoefnagel und Maria Sybille Merian sind die - auch zeitlichen - Eckpfeiler des Buches (die übrigen Publikationen zu den Brüdern Goncourt oder Marcel Proust liegen bereits in andern Büchern vor). Insofern erscheint Kunstgeschichte als künstlerisches Handwerk.

Titelbild

Anita Albus: Paradies und Paradox. Wunderwerke aus fünf Jahrhunderten.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
320 Seiten, 35,50 EUR.
ISBN-10: 3821845228

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