Zu dieser Ausgabe

Was sind das für Zeiten, wo ein Schwerpunkt über Intellektuelle so viele arglose Worte und glatte Stirnen ausschließt? Literaturkritik am Bildschirm kennt heutzutage nur noch freundliche Gesichter. In der ARD fährt ein lächelnder Eierkopf Rolltreppe oder spielt mit Mario Adorf an der Côte d'Azur Boccia - einer, der offenbar zu leben und zu lesen versteht. Mit leuchtenden Augen hastet Elke Heidenreich im ZDF von Büchertipp zu Büchertipp und spricht von Passion und Leidenschaft und "Freude an der Literatur". Eine Schneise will sie schlagen durch den Dschungel der Neuerscheinungen, und auf ihrer Lichtung erwarten uns Doktor Dolittle, Bagheera und der kleine Prinz. In den dritten Programmen plaudern Iris Radisch, Dirk Schümer und Gert Scobel mit ihren Studiogästen, blitzende Couchtische oder genügsam gähnende Bettvorleger zu ihren Füßen. Am simulierten Kaminfeuer sitzen die wenigen noch fernsehtauglichen Alt-68er und werfen im Eifer des Wortgefechts die schütter gewordenen Mähnen zurück.

Kein Zweifel, seit Marcel Reich-Ranicki und Wilfried F. Schoeller das Feld geräumt haben, ist der Stil ein anderer geworden. Die Kamera fängt jetzt Lebenswelten ein und nicht wie früher sprechende Gesichter. In wilder Fahrt schwenkt sie über die Niederungen der Argumente hinweg: Keiner will mehr Spielverderber sein, niemand rührt mehr an die Ewige Frage der 'Kriterien'.

Ein Schwerpunkt von Intellektuellen über Intellektuelle ist da fast schon ein Anachronismus. Thomas Anz, der ihn betreut hat, wollte beweisen, dass Kritik am Bildschirm nach wie vor möglich ist. Denen, die zur Beweisführung beigetragen haben, schulden wir unseren Dank.

Lutz Hagestedt