In die Pfanne zu hauen
Annika Reichs "Teflon" reflektiert die Welt im Spiegelei
Von Alexandra Pontzen
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseDas Unternehmen Dupont, das die Rechte an der Markenbezeichnung "Teflon" hält, hat derenVerwendung in Reichs Buch nicht autorisiert und bestreitet auf dem Schmutztitel jede Verbindung mit Werk oder Autorin. Der Suhrkamp Verlag wäre gut beraten gewesen, mit seinem gutem Namen ähnlich verantwortungsbewusst umzugehen.
Das Buch richtet sich an Leserinnen, für die Sibylle Berg zu rüde und Julia Franck zu herzig schreiben. Reich arrangiert deren Themen und Erzählverfahren deshalb neu: Übersichtliche Konstellationen, zwei Ehepaare, ein Töchterpaar, alle nur mit Vornamen bezeichnet, alle personale Erzählinstanzen; Schauplatz Familie, Ess-, Schlaf- und Badezimmer, dazu ein bisschen Oper und die individualpathologischen Spielarten großer Gefühle: Hörigkeit, Sinnverlust, Gefühlsanästhesie.
In die Leere der Mutter-Töchter-Kleinfamilie, die der Vater regiert durch Abwesenheit, bringt der verheiratete Stefan das Versprechen von Erlösung: Mutter Klara, verspannt und dominant, die Ehemann Richard "schlaff" hat werden lassen "wie feuchtes Baguette", wird erotisch wiederbelebt. Nora, die fühllose Zwanzigjährige, die sich nur in der Selbstverletzung spüren kann, lernt die Freuden einer festen fremden Hand kennen. Und Nesthäkchen Hannah, "albern und süß", betritt als unerfahrene Alice das Wunderland einer Sexualität, die sie durch telepathische Orgasmen in Staunen versetzt.
Stefan, der mit den unbefriedigten Frauen wechselnde Paarungen eingeht, ist Choreograph - aus organisatorischen und aus metaphorischen Gründen. Denn "Teflon" schielt zwar auf das Marktsegment einer postfeministischen Frauenbewegung und animiert zur identifikatorischer Lektüre mit sogenannten Frauenthemen (Körperbewusstsein, weibliche Sexualität, Mutterschaft). Der Text offeriert aber noch zwei weitere Lesarten: eine didaktische, die den Leser sein Grundkurswissen Küchenpsychologie erproben lässt (Kontrollzwang und Frigidität, Mutterbindung und Mangelernährung, Waschzwang und Sexualangst, Begehren und Abwesenheit), und eine poetische Lesart. Letztere macht den Laien mit Idee und Abgrund von Metapher, Leitmotiv und Zitatechnik vertraut und lässt den Connaisseur die intertextuellen Anspielungen abnicken (Goethe, Carrol, Freud, Lacan, Gertrude Stein usw.). Nicht auszuschließen, dass die Verbindung von Überdetermination und gewollter Verdunkelung dem Suhrkamp-Lektor anspruchsvoll erschien. In der qualitätsbewussten Pfannenindustrie hätte er keine Chance.
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