Bin kein König, bin ein Mensch

Tibor Rácskais "Meine Damen & Herren. Mit Dichtern & Trichtern von F. W. Bernstein."

Von Jürgen RöhlingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Jürgen Röhling

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Meine Damen & Herren" ist das erste Buch des Satirikers, Stückeschreibers und Zeichners Tibor Rácskai. Es versammelt auf 130 Seiten die verschiedenartigsten Texte: Szenen, Gedichte und Prosastücke, die wiederum teils eher Erzählungen, teils Parodien sind, teils Beobachtungen aus dem Alltagsleben, teils Grotesken ... Man sieht: der Autor will durch Vielseitigkeit glänzen - oder vielmehr: sich nicht festlegen - es sind alle möglichen Texte zusammengeraten, die nur eines gemeinsam haben: dass sie von Tibor Rácskai geschrieben worden sind.

Das sagt noch nichts über die Qualität von "Meine Damen und Herren" aus. Und die ist immer da am stärksten, wo der Autor sich auf sein Talent verlässt, das bemerkenswert Komische im Alltäglichen zu bemerken und in prägnantester Form auf den Punkt zu bringen. Seine Themen sind die kleinen Dramen des Lebens: bei der Urinprobe trotz des Konsums von zwei Flaschen Sprudel nicht zu können, an Lächerlichkeiten der Verwandtschaft zu leiden, die Frechheit von WG-Genossen ertragen zu müssen. Daneben erfährt der Leser von seltsamen Träumen, aufgeschnappten Bemerkungen auf dem Kinderspielplatz ("Ich bin kein König, ich bin ein Mensch!") oder auch "lustigen Nazi-Erlebnissen", oft auf kaum mehr als zehn Druckzeilen abgehandelt, die ihren Witz gerade aus der wohldosierten sprachlichen Ökonomie beziehen.

Rácskai schreibt je kürzer desto besser. Da gibt es Kurztexte über die seltsamen Herren, die meist nichts tun, weil sie beispielsweise tot sind. Teils sorgen sie sich aber auch über den Inhalt ihres Müllbeutels, lassen sich aber durch den Genuss einer Flasche Bier wieder beruhigen. Häufig passiert einfach nichts, dies aber auf sehr schöne Art. Andere Herren und auch Damen, fast alle gar nicht so "unbekannte Dichter", werden in Kurzbiographien bekannt gemacht: Prof. Horst Thomayer, Verfasser eines Kommentars zur Fahrraddiebhalsgerichtsordnung, Frank Schirrmacher, der nach harten Lehrjahren im Frankfurter Rotlichtviertel heute in der Lobby der F.A.Z. zu besichtigen sei, oder Martin Walser, von dem "ein HJ-Kamerad" wisse, dass er "nie ganz bei der Sache war, immer weggeschaut hat". Und warum? Weil er, "vermutlich von Geburt an", blind war.

Rácskai veröffentlicht regelmäßig in der Satirezeitschrift "Titanic". Seine literarischen Vorbilder verheimlicht der in München Schaffende und Studierende auch sonst nicht: es ist vor allem die Neue Frankfurter Schule, deren Kneipenseligkeit so manchen Text erleuchtet hat, es sind Jerofejew und sicher auch Daniil Charms und andere Russen; auch Henscheidsche Spottlust spürt man, freilich ohne dessen Biss.

Zwischen den Texten befinden sich zahlreiche leere Seiten, die ein weiterer Autor der Neuen Frankfurter Schule, F. W. Bernstein, "mit Dichtern & Trichtern" zeichnerisch gefüllt hat. Auch ohne den prominenten Illustrator läse man "Meine Damen & Herren" schnell und gerne weg, bedauert nur die Schmalbrüstigkeit des Pappbändchens und wünscht sich, dass der ersten Kostprobe möglichst bald Weiteres folgen möge.

Titelbild

Tibor Rácskai: Meine Damen & Herren. Mit Dichtern und Trichtern von F. W. Bernstein.
edition hupe im Verlag Schwebefähre, München 2001.
133 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3831125856

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