Was wissen wir eigentlich vom wichtigsten Mann der Bibel?

Gerd Laudert-Ruhm macht sich Gedanken über den historischen Jesus

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kein studierter Theologe, kein Pastor, sondern ein Lehrer an einer kleinen Grundschule am Rande der Lüneburger Heide mit dem Fach Religion ist hier der Frage nachgegangen: Wer war eigentlich Jesus von Nazareth? Was wissen wir wirklich und wahrhaftig historisch gesichert über ihn, den unglaublichen Mann aus der Bibel? Schon vor und bei der Geburt, die in einem Stall geschah, schreibt Gerd Laudert-Ruhm, sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Denn nicht jeder werdenden Mutter erscheint ein Engel mit der Botschaft, sie werde den "Sohn Gottes" gebären.

Der Autor nimmt Bezug auf die wissenschaftliche Jesusforschung, die vor etwa zweihundert Jahren begann. Bis dahin war der historische Jesus, selbst für Luther, kein Thema. Da das Weltbild der Bibel mythisch ist und die Verfasser der Evangelien von der mythischen Denkweise der Antike geprägt waren, ist die Frage berechtigt, ob der Jesus der Bibel am Ende auch nur ein Mythos, eine Gestalt ohne geschichtliche Grundlage gewesen sei.

Auch wenn wir spätestens seit der Aufklärung nicht mehr ausschließlich mythologisch denken, so fällt es dennoch vielen Christen schwer, "sich Jesus ohne das vertraute mythische Gewand vorzustellen", nicht zuletzt deshalb, weil die Forschung mit ihren Ergebnissen das bis dahin lange Zeit gültige Jesusbild radikal demontiert hat. So soll der historische Jesus, wie der Verfasser dieser bemerkenswerten Studie deutlich macht, keineswegs von einer Jungfrau geboren worden sein. Weder habe sich der Himmel bei seiner Taufe geöffnet noch sei Jesus in der Wüste von einem leibhaftigen Satan versucht worden. Er habe weder Wunder vollbringen können noch sei er gehorsam und freiwillig gestorben noch sei er "am dritten Tag auferstanden" und "aufgefahren in den Himmel." Offensichtlich haben die Autoren des Neuen Testaments bekannte mythische Vorstellungen der antiken Völker übernommen und auf Jesus übertragen, um seine überragende Bedeutung herauszustellen, vermutet Laudert-Ruhm und weist darauf hin, dass alle Evangelien-Berichte erst vierzig bis siebzig Jahre nach dem Tod von Jesus niedergeschrieben wurden und die historischen Fakten keineswegs immer objektiv darstellten - im Gegenteil. Wahrscheinlich haben die Evangelisten geschichtliche Tatsachen tendenziös verfälscht, da der historische Jesus "viel jüdischer und torafreundlicher" gewesen war, als er in den Evangelien erscheint. Wir seien gut beraten, wenn wir uns nicht nur an das Neue Testament hielten, sondern auch an die berühmten Qumramschriften sowie an die Werke des jüdischen Historikers und Schriftstellers Flavius Josephus, meint der Autor und nimmt den Schauplatz Palästina unter der römischen Besatzung und die galiläische Bevölkerung zur Zeit Jesu genau unter die Lupe. Er schildert anschaulich die damaligen Zeitumstände sowie das Milieu, in dem Jesus aufwuchs, seine Kindheit und Jugend im aufständischen Galiläa und die Jahre seines öffentlichen Wirkens als Wanderprediger und Lehrer. Sein Verhalten war oft, laut Laudert-Ruhm, ungewöhnlich, provozierend, ja geradezu kriminell und entsprach ganz und gar dem Verhalten eines Außenseiters. Zudem hätten Frauen in Jesu Leben eine wichtige Rolle gespielt. Auch habe Jesus jeglichem Leistungs- und Erfolgsdenken eine scharfe Absage erteilt. Schlimm und unerträglich war in den Augen seiner Zeitgenossen vor allem seine Bereitschaft, Sünden zu vergeben. Schließlich starb er, der zeitlebens ein "guter Mensch", ein Freund der Armen war, den Tod eines Verbrechers und Aufrührers.

Gerd Laudert-Ruhm befasst sich ferner mit den Gleichnissen Jesu und der Bergpredigt und fragt sich: "Warum eigentlich hat Jesus den Weg nach Jerusalem eingeschlagen? Was wollte er dort erreichen, in der Stadt des Tempels, im Zentrum der Macht?"

Im letzten Teil seines Buches diskutiert der Autor die Behauptung "Jesus ist auferstanden" und befindet, dass diese Aussage eine theologische, aber beileibe keine historische Feststellung sei, wohl wissend, dass man "die Bedeutung Jesu nicht auf die historisch rekonstruierbaren Daten seines Lebens und Lehre verkürzen" darf. Allerdings könne man, gibt Gerd Laudert-Ruhm in seiner lesenswerten und durchaus fesselnden Studie zu bedenken, redlicherweise nur auf der Basis einer sachgemäßen Kenntnis des historischen Jesus nach dessen religiösem Gewicht fragen.

Titelbild

Gerd Laudert- Ruhm: Jesus von Nazareth. Das gesicherte Basiswissen.
Kreuz Verlag, Stuttgart 2002.
160 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3783121477
ISBN-13: 9783783121476

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