Füllmaterial für's Phrasenschwein

Jürgen Roths Buch "Kotzbrocken” stellt "Machthaber und Maulhelden des Fußballs” vor

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fußball ist in den letzten Jahren zu einem beliebten Schreibthema geworden. Fußball ist Anlass ebenso zur feinsinnigen kulturphilosophischen Betrachtung wie er auch zur groben polemischen Attacke Anregung gibt. Hauptsache man findet sein Thema. Dem Leser kann es genehm sein, denn immerhin beeinflussten die Ambitionen der genreüberschreitenden Autoren auch die alltägliche Sportberichterstattung. Ihrer bedienen sich die Sportredaktionen einiger Tageszeitungen mittlerweile gerne, wohl wissend, dass dieser 'etwas andere' Sportjournalismus den sonstigen Standard der Branche durchaus zu heben in der Lage ist ...

Jürgen Roths Buch "Kotzbrocken", mit denen "Machthaber und Maulhelden des Fußballs" gemeint sind, gehört zur Kategorie der boshaften polemischen Fußballliteratur. Es will angreifen und - ja was eigentlich noch? Aufdecken? Kritisieren? Oder am Ende doch nur Spaß machen?

Doch zunächst müssen andere wichtige Fragen geklärt sein. Wer ist eigentlich ein "Kotzbrocken"? Wer ist der "Schlimmste, der Impertinenteste? Wer führt die Liga der Labertaschen, Lachsäcke und lauten Luschen an?" Also werden Kandidaten ausgesiebt, obwohl sie alle auch kotzbrockenwürdig sind. Warum sollte der "Toppöbler und nationale Sprüchklopfer Werner Lorant" nicht mit rein ins Buch? Von ihm überlieferte Zitate wie "Du hast Fürze im Kopf" qualifizieren ihn durchaus. Oder der "Lügenklops und Floridafan" Christoph Daum. Immerhin wurden in seiner Causa vor Gericht "irgendwelche Pufforgien, Milieuverwicklungen, Kokskonsum" und dergleichen mehr verhandelt. Im Grunde findet auch Roth, dass sie aufnahmewürdig wären, aber zuweilen muss man sich aus ökonomischen Gründen beschränken.

Bleiben also die "Kotzbrocken" Gerhard Mayer-Vorfelder, immerhin DFB-Präsident, der Bayer Leverkusen-Manager Rainer Calmund, Ex-Nationalspieler Lothar Matthäus, Immernochkaiser Franz Beckenbauer, Pleitier Leo Kirch, Jungautor Stefan Effenberg, Schalke-Allrounder Rudi Assauer und "der Fußballreporter". Sie alle sind mehr oder weniger dankbare Objekte der Rothschen Vorliebe für schnoddrig-boshafte Kurzcharakterisierungen, wie der "weinfaßvoluminöse Lall-Lukullus" Calmund, oder das "vergnügte Spruch- und Springbeutelchen" Lothar Matthäus. Das liest sich ebenso flott wie es verpufft. Die kritische Analyse ist Roths Sache nicht. Er sucht den schnellen Effekt und bedient sich dabei eines offensichtlich wohlsortierten Archivs, denn die eigenen Kurzcharaktierisierungen werden gern und intensiv ergänzt mit passenden Zitaten aus tagesaktuellen Zeitungsberichten und vertiefenden Buchpublikationen. Indes wird für den interessierten Leser, der Roths Attacken auf das hier versammelte Personal im Ansatz durchaus nachvollziehen kann, am Ende die Sache doch langweilig. Nun will man auch ein bisschen mehr erfahren: Über die Art und Weise beispielsweise, wie der Fußball zu einem undurchschaubaren internationalen Geschäft gemacht wurde. Will die "Strippenzieher und Profiteure" im Fußball nicht nur kennenlernen, sondern ihre Vorgehensweise aufgedeckt wissen. Nun, Roth zitiert ordentlich und er verweist auf die Kollegen, deren solide Recherchen seine Polemik erst möglich machten.

So liefert Roths Polemik zuallererst Füllmaterial für die nächste Stammtisch- oder Thekendiskussion über Fußball. Kein geringer Mehrwert eigentlich, bedenkt man, dass in einer der langlebigsten TV-Fußballstammtischrunden zum samstäglichen Bundesligafussball ein Phrasenschwein regelmässig gefüttert werden muss ...

Titelbild

Jürgen Roth (Hg.): Kotzbrocken. Machthaber und Maulhelden des Fußballs.
Europa Verlag, Hamburg 2002.
175 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3203815516

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch