Die Stadt im Buch - ein kleiner Überblick
Angelika Corbineau-Hoffmans "Kleine Literaturgeschichte der Großstadt"
Von Michael Grisko
Besprochene Bücher / LiteraturhinweiseAls einen der 'großen' Gegenstände der Literatur bezeichnet Angelika Corbineau-Hoffman die Stadt, um eine "Kleine Literaturgeschichte der Großstadt" zu schreiben. Sie konzentriert sich auf die Großstadt der Moderne, von der sie konstatiert, dass sie einen "Mikrokosmos von intensiver, ganz eigener Strahlkraft" bildet. Darüber hinaus sieht sie eine Parallele einer zunehmend selbstbewussteren Literatur und einer besonderen Herausforderung, die die Großstadt - als Erfahrungsraum von eigener Qualität - an die Literatur seit der Aufklärung stellt. Ob Paris, Rom, Wien, Berlin oder New York, zu unterschiedlichen Zeiten sind es vor allem avantgardistische Positionen, die die Grosstadt erst lesbar machen, im Experiment ein neues Wahrnehmungsgefühl artikulieren, das Wissen der Schriftsteller als Horizont in ihre Romane einschreiben.
Von Réne Lessages "Der hinkende Teufel" bis Alain Robbe-Grillet und Rolf Brinkmann geraten knapp 250 Jahre Literaturgeschichte auf etwa 220 Seiten in den Blick der Autorin. Sie bündelt diese unter sechs einschlägigen systematisierenden Rubriken. So etwa "Panorama - Gesamtschau der Großstadt", "Sittenbilder - die Großstadt als moralisches Tableau", "Großstadtgemälde - der pittoreske Blick", "Ansichten der Großstadt - der perspektivische Blick", "Skizzen der Großstadt - der filmische Blick" und "Collagen - Kompositionen des Unbewussten". Ein deutlicher Schwerpunkt liegt auf der europäischen Großstadt - auch wenn Paul Austers New York-Trilogie und selbstverständlich John Dos Passos "Manhattan Transfer" die Stadt der Freiheit repräsentieren und mit Andrej Belyi auch der Blick nach Petersburg gerichtet wird. Implizit wird damit auch der zeitliche Schwerpunkt deutlich, denn fast alle behandelten Texte stammen aus dem Zeitraum von 1850 bis 1930 und müssen als Kinder der Industrialisierung und der verschiedenen Avantgarden der Moderne gelten.
Die knappen Essays, die die jeweiligen, zumeist im Großstadtdiskurs kanonisierten Texte in kurzer Form vorstellen und erste Hinweise zur Einordnung zur Wahrnehmungs- und Darstellungsästhetik der Großstadt geben, verzichten leider sowohl auf einen direkten Zitatnachweis des Originaltextes als auch auf einschlägige Lektürehinweise in Form von Sekundärliteratur.
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